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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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sechs Meter entfernte Mann mich anstarrte. Er musste mich auch erkannt haben, zu meinem Entsetzen sah ich nämlich, dass er aufstand. »Warten Sie!«, rief er mit jener eigenartig forschen Stimme zu mir herüber. Ich wollte mich auf keinen Fall in seine Verrücktheiten hineinziehen lassen und bog, obwohl sich ein Auto näherte, in die Straße ein, fing kräftig an zu strampeln und ging sogar aus dem Sattel, um schneller zu werden. Das Auto hupte. Der Luftzug zerrte an mir, als der Wagen in einem kurzen Schwall aus Licht und Lärm an mir vorbeirauschte. Als ich mich umdrehte, hatte der Mann die Verfolgung schon aufgegeben. Er stand mitten auf der Straße und starrte mir mit in die Seite gestemmten Armen hinterher.
    Ich trat jetzt hart in die Pedale, weil ich wusste, dass es bald dämmern würde. Die Luft wehte mir kalt und feucht ins Gesicht, aber meine pumpenden Beine hielten mich warm. Ich kam an der Flugplatzeinfahrt vorbei und fuhr dann am Rand des staatseigenen Waldes entlang, dessen Brandschneisen sich wie die dunklen Gänge einer Kathedrale breit und hoch durch die Bäume fraßen. Als Radfahrer konnte ich mir McAra nicht vorstellen – er sah nicht aus wie der Typ, der Rad fuhr. Ich fragte mich wieder, welchen Sinn meine Unternehmung überhaupt hatte, außer dass ich tropfhass werden würde. Ich quälte mich an den weißen Schindelhäusern vorbei durch die ordentliche Landschaft Neuenglands, und ich konnte mir mühelos ausmalen, dass hier immer noch Frauen lebten, die strenge schwarze Hauben trugen, und Männer, für die der Sonntag immer noch der Tag war, an dem man seinen Anzug an- und nicht auszog.
    Gleich hinter West Tisbury, auf der Scotchman’s Lane, hielt ich an, um auf der Karte nach dem Weg zu schauen. Der Himmel sah nun wirklich bedrohlich aus, und es kam Wind auf. Fast hätte er mir die Karte aus der Hand gerissen. Und tatsächlich wäre ich fast umgekehrt. Aber ich war schon so weit gekommen, da erschien es mir idiotisch, jetzt aufzugeben. Also machte ich es mir wieder auf dem schmalen, harten Sattel bequem und strampelte weiter. Nach etwa zwei Meilen gabelte sich die Straße. Ich verließ die Hauptstraße und bog nach links in Richtung Meer ab. Der Weg hinunter in die kleine Bucht ähnelte dem, der zu Rhineharts Anwesen führte – Straucheichen, Weiher, Dünen. Der einzige Unterschied war, dass es hier mehr Häuser gab. Bei den meisten handelte es sich um Ferienhäuser, die den Winter über verrammelt waren. Über den Schornsteinen einiger weniger jedoch flatterten schmale braune Rauchfahnen, und aus einem drang sogar klassische Musik. Auf einmal fing es an zu regnen – harte kalte Wassertropfen, fast Hagelkörner, die mir auf Hände und Gesicht trommelten und den Geruch des Meeres mit sich trugen. In einem Augenblick platschten sie noch sporadisch in einen Teich und raschelten in den Bäumen, und im nächsten war es schon so, als wäre irgendein gewaltiger Himmelsdamm gebrochen: Sintflutartig stürzte der Regen nach unten. Jetzt fiel mir wieder ein, warum ich Radfahren nicht mochte: Fahrräder haben kein Dach und keine Heizung.
    Die spindeldürren, laublosen Straucheichen boten keine Hoffnung auf Schutz. Weiterfahren war aber auch unmöglich, weil ich nicht mehr sehen konnte, wohin ich fuhr. Also stieg ich ab und schob. Ich kam schließlich zu einem niedrigen Lattenzaun, versuchte mein Rad daran anzulehnen, das jedoch abrutschte, klappernd umfiel und mit sich drehendem Hinterreifen liegen blieb. Ich kümmerte mich nicht weiter darum und lief den Schlackenweg hoch, um mich unter der Veranda unterzustellen.
    Dem Regen entflohen, beugte ich mich vor und schüttelte kräftig den Kopf, um das Wasser aus den Haaren zu bekommen, worauf hinter der Haustür in meinem Rücken ein Hund zu bellen anfing. Ich hatte zunächst angenommen, das Haus sei unbewohnt – diesen Eindruck hatte es zumindest erweckt –, aber an dem verstaubten Fenster hinter dem Moskitogitter erschien der nebelhafte weiße Mond eines Gesichts, und eine Sekunde später ging die Tür auf, und der Hund schoss mir entgegen.
    Meine Abneigung gegen Hunde ist fast so groß wie deren Abneigung gegen mich. Doch um seinen Besitzer milde zu stimmen, tat ich mein Bestes, um den Eindruck zu erwecken, ich wäre entzückt von dem scheußlichen weißen Fellball, der mich da ankläffte. Der alte Mann, der, nach den Leberflecken, der gebückten Haltung und dem immer noch stattlichen Schädel unter der papierenen Haut zu urteilen, hart auf die neunzig

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