Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
Kinderspiel gewesen, die nötigen Informationen von Ted Genry zu bekommen, bevor die beiden Leopardinnen ihn zerfleischten. Der Biologe hatte in E-Mail-Kontakt mit einem der Berglöwenwandler gestanden, dessen Mutter eine Menschenfrau gewesen war und der sich nichts sehnlicher wünschte, als in einer Stadt zu leben.
Lee lachte, als er sich daran erinnerte, wie leicht es gewesen war, diesem Melvin alle möglichen Informationen über seine Gruppe und das Lager zu entlocken. Genauso einfach war es gewesen herauszufinden, wer die Mutter des Jungen gewesen war, und damit Jennings als geeignete Schachfigur zu finden.
Als etwas schwieriger hatte es sich erwiesen, den jungen Berglöwenwandler in der Wildnis ausfindig zu machen, wo dieser jetzt wieder mit seinem Vater lebte. Aber auch da hatte es sehr geholfen, dass Melvin Genry die Koordinaten verschiedener Plätze verraten hatte, an denen die Wandler öfter zu finden waren. Schließlich hatte Lee dort einen Berglöwen entdeckt, der zusammen mit einem Menschen unterwegs war. Der Junge schien seine Berglöwenform abzulehnen, anders konnte Lee sich nicht erklären, warum er sonst ständig als Mensch durch den Wald lief, wenn er wusste, dass er nicht auffallen durfte. Aber das war nicht sein Problem, für Lee zählte nur das Ergebnis. Und das würde diesmal positiv für ihn ausfallen, da war er ganz sicher.
Mit einem unangenehmen Gefühl im Magen öffnete Lee die Haustür und wurde wie üblich von bleierner Stille empfangen. Als sie das Haus gekauft hatten, war es von Leben erfüllt gewesen, es hatte ihn willkommen geheißen, wenn er von einem langen Arbeitstag nach Hause kam. Inzwischen war er lieber unterwegs, weil er dann nicht diese drückende Leere ertragen musste.
Leider hatte er keine Zeit gehabt, länger in Escondido zu bleiben. Edwards, sein Mann vor Ort, war zu dumm gewesen, die Leopardenwandlerin einzufangen, und Lee hatte ihn deshalb beseitigen müssen. Aber wie es aussah, stellten sich trotzdem bereits erste Erfolge ein. Für einen winzigen Moment war er sich fast sicher gewesen, die Nähe der Person gespürt zu haben, die er suchte. Wenn das wirklich der Fall war, funktionierte sein Plan schneller, als er geglaubt hatte. Und das war auch gut so, denn die lange Vorbereitungszeit hatte ihn mürbe gemacht. Vermutlich hätte Lee auch einfach abwarten können, bis ihm alles in den Schoß fiel, aber dazu fehlte ihm einfach die Geduld. Schon immer hatte er lieber für das gearbeitet, was er erreichen wollte, und so hielt er es auch jetzt. Vorfreude ließ seinen Puls hüpfen. Bald … bald.
Er hatte gerade mal einen Tag durchgehalten. Mit einem tiefen Seufzer setzte Griffin sich auf einen Baumstamm und stützte den Kopf in die Hände. Warum gelang es ihm nicht, sich von Amber fernzuhalten? Es war wie ein innerer Zwang, der ihn ständig zum Lager der Berglöwenwandler fliegen ließ, obwohl er wusste, dass es ihm nur wehtun würde, sie zu beobachten. Und nun hatte er kein Zuhause mehr – wenn es überhaupt noch eines gewesen war –, und er war sicher der Letzte, den Amber im Moment sehen wollte. Anstatt die Freiheit zu genießen und sich andere Gebiete anzuschauen, in denen er leben könnte, wenn er sich entschied, nicht zu den Adlerwandlern zurückzukehren, war er mit dem drängenden Gefühl aufgewacht, sich davon überzeugen zu müssen, dass Amber gut in ihr Lager zurückgekehrt war. Also hatte er die Decke zusammengerollt in seinen Beutel gesteckt und entschieden, dem Drang nachzugeben. Es musste ja keiner merken, dass er da war, es reichte, wenn er Amber von Weitem sah, wenigstens für einen kurzen Augenblick. Griffin rieb über seine Stirn. Er war erbärmlich.
So war es schon immer gewesen, seit jenem Tag vor vielen Jahren, als er sie verletzt auf den Klippen fand. Fast, als wäre Amber eine Droge und er auf Entzug, wenn er sie nicht in bestimmten Abständen sehen durfte. Eine Zeit lang hatte er versucht, ohne diese kurzen Momente zu leben, doch irgendwann war die Sehnsucht so groß gewesen, dass er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnte. Vielleicht hätte es aufgehört, wenn sie sich einen Partner genommen und eine Familie gegründet hätte. Doch wie es schien, ließ Amber sich nie mit irgendwelchen Männern ein, zumindest hatte er sie nie mit einem gesehen. Was natürlich nicht hieß, dass es keinen gegeben hatte. Griffin schloss die Augen, als sein Geist ihm Bilder von Amber mit einem Mann vorgaukelte. Von jemandem, der sie berühren und küssen
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