Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
durfte. Der seine Hände in ihre rotblonde Mähne vergraben und ihre zarte Haut streicheln konnte. Nein! Ein Zittern lief durch seinen Körper. Auch wenn er wusste, wie unrealistisch es war, wollte er Amber für sich haben. Niemand anders sollte sie so berühren oder ansehen dürfen.
Die Erinnerung daran, wie er ihre nackte Schulter für einige wenige Sekunden mit den Fingerspitzen berührt hatte, löste ein beinahe verzweifeltes Verlangen in ihm aus, das einmal mehr unbefriedigt blieb. Doch jetzt wusste er, wie sich ihre leicht gebräunte Haut anfühlte, wie sie roch und wie samtig ihre Stimme geklungen hatte. Wie sollte er das jemals vergessen können?
Griffin biss die Zähne zusammen und erhob sich. Er würde noch dieses eine Mal nach ihr sehen und sich dann einen Platz suchen, wo er leben konnte – irgendwo weit weg. Wenn die Entfernung groß genug war, musste sein Körper doch endlich verstehen, dass es keine Erfüllung geben würde. Die Frage war nur, ob er sein Gehirn und vor allem sein Herz davon überzeugen konnte. Mit einem wütenden Fluch verwandelte Griffin sich, griff sich den Beutel und flog los.
Es gab kein schöneres Gefühl, als sich in Spiralen von den Winden hinauftragen zu lassen und hoch über dem Erdboden auf den thermalen Strömungen zu segeln. Doch diesmal flog er niedrig über die Baumwipfel, zum einen, um unter den dicken Wolken zu bleiben, und zum anderen, um nicht durch Zufall von einem Wanderer entdeckt zu werden, solange er seinen Beutel trug. Obwohl in dieser entlegenen Gegend so gut wie nie ein Mensch zu finden war, wollte er das Risiko nicht eingehen. Auch wenn die Adleranführer zu denken schienen, dass sie unangreifbar waren, bezweifelte er es. Er hatte gesehen, wie die Jäger im Gebiet der Berglöwen vorgegangen waren, absolut professionell und ohne zu zögern. Besonders der Anführer schien sehr erfahren gewesen zu sein und genau zu wissen, was er tat. Glücklicherweise war er inzwischen tot, aber es konnte ebenso gut jederzeit jemand anders die Spur der Wandler wieder aufnehmen.
Mit einem kräftigen Flügelschlag katapultierte Griffin sich vorwärts, plötzlich sicher, dass Amber etwas geschehen war. Es war unerklärbar, aber er hatte das drängende Gefühl, sich beeilen zu müssen, um etwas Furchtbares zu verhindern. Oh Gott, nicht Amber! Hätte er ihr sofort nachfliegen und sicherstellen müssen, dass sie bei ihrem Lager ankam? Natürlich, schließlich war sie verletzt und verängstigt gewesen! Stattdessen hatte er sich erst mit dem Rat herumgeschlagen und sich dann damit zufriedengegeben, dass sie das Gebiet der Adlerwandler verlassen hatte. Als könnte ihr auf dem Weg zu ihrem Gebiet nichts passieren, das immerhin fünfzig Meilen entfernt lag. Zwar waren die Berglöwen die größten Räuber in der Gegend, aber das hieß nicht, dass nicht auch kleinere Tiere oder ein Schwarzbär sie angreifen konnten, wenn sie schon verletzt war. Und er hatte einen ganzen Tag vertrödelt, anstatt gleich nach ihr zu sehen.
Griffin stieß einen wütenden Adlerschrei aus und flog noch schneller. Die Vorstellung, zu spät zu kommen und sie vielleicht nur noch tot vorzufinden, ließ seinen Puls rasen. Erinnerungen daran, wie sie ausgesehen hatte, als er sie damals über dem Abgrund vorgefunden hatte, tauchten vor seinen Augen auf. Ihr kleiner Körper zerschunden, Blut in ihrem Fell, sodass er zuerst gedacht hatte, sie wäre bereits tot. Als sie sich dann bewegte und mit ihren bernsteinfarbenen Augen hoffnungsvoll zu ihm aufblickte, hatte sich etwas um sein Herz gelegt, das ihn seitdem an sie band. Sosehr er sich auch bemühte, Amber zu vergessen, es war ihm nie gelungen. Sollte sie jetzt tot sein, wusste er nicht, wie er mit dem Wissen, dass es auch seine Schuld war, zumindest aber die seiner Gruppe, weiterleben konnte. Es würde ihn für den Rest seines Lebens belasten, so viel war sicher. Die Vorstellung, sie vielleicht nie wiedersehen zu können, nie wieder ihre Stimme zu hören oder ihre sanfte Berührung zu fühlen, war so furchtbar, dass seine Flügel einen Schlag aussetzten und er ins Trudeln geriet. Einen Moment kämpfte er darum, nicht in die Wipfel der Koniferen zu stürzen, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.
Es würde Amber nicht helfen, wenn er abstürzte und sich verletzte oder sogar starb. Immer wieder sah er nach unten, konnte sie aber nirgends entdecken. Wenn er sie aus der Luft nicht fand und sie auch nicht im Lager war, würde er sie zu Fuß suchen, und wenn er
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