Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
Hinter seinem Körper lugte ein Junges halb neugierig, halb ängstlich hervor und starrte Amber mit großen grün-braunen Augen an. Überrascht und vielleicht auch ein wenig neidisch betrachtete Amber Nolens kleine Familie. Es war äußerst selten, dass Einzelgänger eine Familie mit einem anderen Einzelgänger gründeten. Doch anscheinend hatte Nolen eine Frau gefunden, die er lieben konnte. Amber erkannte den Geruch nicht, vielleicht war die Wandlerin die Tochter eines anderen Einzelgängers und nie im Lager gewesen. Das würde auch erklären, warum sie in ihrer Tierform blieb.
Schließlich verwandelte Amber sich, blieb aber hocken, um das Junge nicht zu erschrecken. „Du kannst deine Familie ins Lager mitbringen, Nolen, wenn du deswegen nicht mitkommen willst.“
Es sah beinahe schmerzhaft aus, als er wieder zum Menschen wurde. Er winkte sie heran. „Es geht um Lana.“ Mit der Hand schob er vorsichtig einen Haufen Moose und Flechten zur Seite. Amber erschrak, als sie dort ein Berglöwenjunges sah, das höchstens ein halbes Jahr alt war. Das Fell war zerzaust und die Augen halb geschlossen. „Sie ist sehr krank, sie würde auf dem Weg sterben.“
„Habt ihr denn Medikamente für sie?“
Nolen wechselte einen Blick mit der Berglöwin. „Nur ein paar getrocknete Kräuter. Jetzt im Winter ist es schwer, etwas Vernünftiges aufzutreiben.“ Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. „Und wir sind keine Heiler.“
„Sie muss zu Fay. Wenn ihr einer helfen kann, dann unsere Heilerin.“
Die Berglöwin stieß ein drohendes Fauchen aus und schob sich vor ihr Kind. Nolen legte eine Hand auf ihren Rücken, bevor er wieder sprach. „Wie ich schon sagte, wir können nicht riskieren, sie zu transportieren.“
„Nolen …“ Amber unterbrach sich, als sie einen vertrauten Geruch wahrnahm. Auch die anderen hatten den Eindringling gerochen und sahen aus, als würden sie ihn jeden Moment angreifen. Rasch stellte sie sich mit ausgebreiteten Armen vor Griffin. „Er ist ein Freund und will nur helfen.“ Sie drehte sich erst zu ihm um, als sie sicher war, dass Nolen oder seine Gefährtin nicht angreifen würden. „Was tust du hier?“
Griffins Gesichtszüge wirkten wie erstarrt. „Es hat mir nicht gefallen, dass du so lange verschwunden warst. Ich wollte sicherstellen, dass es dir gut geht.“
„Das war nicht nötig, aber trotzdem danke.“ Als Amber ihn sanft berührte, wurde seine Miene weicher.
„Können wir jetzt gehen?“ Es war Griffin anzusehen, wie unwohl er sich in der Höhle der Berglöwen fühlte.
„Nein, erst wenn wir das Problem gelöst haben, wie wir das kranke Kind ins Lager bekommen.“
Griffin warf über ihre Schulter hinweg einen Blick auf das bemitleidenswerte Fellbündel. „Ich fliege es dorthin. Das geht schnell und ist vor allem viel sanfter, als wenn jemand es den ganzen Weg trägt.“
Ambers Lächeln zog ihn in seinen Bann. „Eine wunderbare Idee.“
Ein Fauchen ertönte, das eindeutig nicht begeistert klang, ganz im Gegenteil. Der Berglöwenmann hockte sich hin und legte seiner Gefährtin die Arme um den Körper. Dabei redete er beruhigend auf sie ein, zu leise, als dass Griffin es verstehen konnte. Schließlich sah ihn der Mann durchdringend an. „Woher sollen wir wissen, dass du sie wirklich zum Berglöwenlager bringst, Adler?“
Griffin hob die Augenbrauen. „Was sollte ich sonst mit ihr tun? Je schneller sie zu Fay kommt, umso besser. Und mein Name ist Griffin, nicht Adler.“ Nolen tauschte einen weiteren Blick mit seiner Gefährtin und neigte schließlich den Kopf. „Also gut, wir kommen mit.“
Ohne ein weiteres Wort öffnete Griffin sein Bündel und zog ein Sweatshirt heraus. „Gib mir die Kleine.“ Seine Muskeln spannten sich an. Wenn sie ihn angreifen würden, dann jetzt. Als nichts passierte, legte er das Sweatshirt auf den Boden und begann, Moose hineinzuschieben, bis eine weich gepolsterte Schicht entstand. Griffin sah auf, als er Nolen über sich aufragen sah. Der Berglöwenmann schien seinen menschlichen Körper jetzt besser unter Kontrolle zu haben als anfangs, die Augen wirkten nicht mehr so katzenartig, und auch die Reißzähne waren kleiner geworden. Auf seinen Armen hielt er das kranke Berglöwenjunge. Griffins Herz zog sich zusammen, als er sah, wie schwach das Kleine war. Es lag apathisch da, nur die schwachen Atemzüge deuteten noch auf Leben hin. Er würde sich sehr beeilen müssen, wenn er nicht wollte, dass es auf dem Weg starb.
Vorsichtig
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