Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Einbruch der Dunkelheit unter einem schwarzen Himmelszelt auf dem ruhigen Meer zu sein hatte etwas Aufregendes und fast Urzeitliches.
Alle Mitarbeiter von Ribcraft waren entsetzt, als sie von Kates Tod erfuhren, und überschlugen sich fast, als ich auf der Suche nach einem neuen Boot zu ihnen kam. Ich wählte ein Festrumpfschlauchboot – ein RIB (rigid inflatable boat). Es war für eine Bootsausstellung gebaut worden, und sobald ich es sah, wusste ich, dass es das Unsere werden musste. Kate wäre davon begeistert gewesen. Es hatte mattschwarze Schläuche, der Schiffskörper war leuchtend gelb – genau die Farben, die unsere Boote schon immer hatten. »Es wird aussehen wie eine mit Steroiden vollgepumpte Wespe, wenn wir sie aufs Wasser lassen«, scherzte ich. »Die Jungs werden aus dem Häuschen sein. Ich muss es haben!«
Ich bestellte sämtliche Extras wie einen A-Frame und eine Befestigung für das Schleppseil, damit ich Reef und Finn Wasserski fahren beibringen konnte, serienmäßig verfügte es über einen 100 hp Suzukimotor, der wunderbar schnurrte und pfeilschnell war. Zu Ehren von Kate wurde mir ein großzügiger Rabatt gewährt, was ich absolut rührend fand. Damit die Jungs mitkommen konnten, vereinbarte ich einen Abholtermin nach der Schule.
»Wie sieht das neue Boot denn aus, Daddy?«, erkundigte Reef sich aufgeregt.
»Es ist cool«, sagte ich.
»Was daran ist cool?«, hakte Finn nach.
»Das werdet ihr schon sehen.«
Ich drehte im Wagen die Musik laut, und Reef übernahm die Regie über den iPod und spielte Hits von Rihanna, seiner Lieblingssängerin. Als wir uns Ribcraft näherten, wechselte Reef zu »The Boys Are Back in Town« von Thin Lizzy. Wir waren alle wie im Rausch, und mein Herz klopfte wie wild, als wir vor dem Showroom parkten.
»Wir sind da!«, kreischte Finn.
Ich spürte ein regelrechtes Prickeln in meinen Adern. Es war ein vertrautes Gefühl, das ich aber schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gehabt hatte. Mir wurde bewusst, dass dies das erste Mal seit Kates Tod war, dass ich mich wieder meinem früheren Ich annäherte, mich glücklich und normal fühlte, ganz zu schweigen von meiner Aufregung.
Finn entdeckte es als Erster und zeigte auf das glänzende schwarz-gelbe Motorboot, das vor dem Laden geparkt war.
»Können wir so eins haben, Daddy?«, gluckste er.
»Mir würde ein solches Boot gut gefallen«, sagte Reef. »Können wir so eins kriegen?«
Um der Dramatik wegen ließ ich ihre Worte einen Moment in der Luft hängen.
»Das hier?«, fragte ich und blieb stehen, um es mir anzusehen.
»Ja!«, schrien beide wie aus einem Mund. »Bitte, Daddy!«
»Ja, okay, das nehmen wir!«, erwiderte ich begeistert und kostete den Moment aus.
Beide Jungs sahen mich erstaunt an und brachen dann in Jubelgeschrei aus.
»Wiiirklich?«, sagte Reef ungläubig. »Können wir das wirklich haben?«
Ich legte meine Arme um beide Jungs.
»Ja, das können wir … weil das nämlich unser Boot ist, Jungs!«, verkündete ich triumphierend.
Ich beobachtete sie dabei, wie sie, aufgeregten Ameisen gleich, mit glänzenden Augen darauf herumkletterten, jubelten und lachten. Ich sagte ihnen, der Name des Boots sei 4 Saints . Die Jungs tragen beide St John als zweiten Vornamen, das machte mit mir drei Heilige. Da Kate nun irgendwo auf einer Wolke saß, fand ich, dass man auch ihr den Heiligenstatus zusprechen konnte. Der Name schien stimmig zu sein, zumal meine Firma »Training Saints« hieß.
Die Jungs setzten sich in die zwei Sitze im hinteren Teil des Boots, und ich bat sie, einen Moment lang gut zuzuhören.
»Mummy wollte, dass wir dieses Boot bekommen«, erklärte ich ihnen. »Und heute ist Mummys Geburtstag. Ich denke, es wäre schön, wenn wir diesen Tag immer ›Mum’s Day ‹ nennen würden. Was haltet ihr davon?«
»Ja!« Reef war begeistert.
»Jaa, Daddy«, schloss Finn sich an. »Das gefällt mir. Können wir in diesem Boot jetzt richtig schnell flitzen? Wie schnell können wir fahren?«
Einer der Verkäufer kam heraus, um uns zu begrüßen. »Alles in Ordnung, Singe?«, erkundigte er sich.
»Das kann man wohl sagen«, erwiderte ich strahlend und nickte Reef und Finn zu. »Die Jungs sind im siebten Himmel!«
Ich schaute hoch und fragte mich, ob Kate wohl auch im Himmel war und womöglich tatsächlich auf einer Wolke saß und auf uns herabschaute.
»Danke, Kate«, sagte ich, als ich später einen Moment für mich hatte, für den Fall, dass es so war.
Kate wäre begeistert
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