Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
wie möglich zu retten.«
»Mummy wäre traurig«, sagte Finn, und nun fing auch Reef zu weinen an.
Die Jungs so aufgewühlt zu sehen tat mir in der Seele weh, zumal etwas starb, das Kate gehört hatte. Es war grässlich.
»Wisst ihr, was Mummy von uns erwartet hätte?«, sagte ich.
»Dass wir das Aquarium sauber machen?«, lautete Reefs logische Antwort.
»Ja genau, das würde sie wollen. Und ich werde das jetzt tun und dabei so viele von Mummys Fischen und Krabben wie möglich retten. Aber sie hat mich auch gebeten, euch zu einem echten Korallenriff zu bringen, damit ihr dort Scuba-tauchen und tropische Fische aus nächster Nähe im Meer sehen könnt, wie sie das getan hat.«
»Ist das so etwas wie ein Urlaub?«, wollte Finn wissen.
»Ja, Finn, es ist ein Urlaub. Ich habe beschlossen, dass ich mit euch zum Roten Meer in Ägypten fahre. Mummy hat mich darum gebeten.«
»Wann können wir losfahren?«, fragte Reef und wurde gleich fröhlicher. Mir fiel auf, dass er Finns Hand hielt, was er inzwischen instinktiv tat, sobald Finn wegen irgendwas aufgeregt oder durcheinander war.
Ich hatte schnell reagiert, weil ich die Jungs unbedingt aufheitern wollte, und dies drängte sich mir als die perfekte Möglichkeit auf.
»Wie wär’s mit Weihnachten?«, fragte ich.
Ihre Augen wurden groß. »Wird es an Weihnachten nicht kalt sein?«, wandte Finn ein.
»Nicht in Ägypten. In Lappland war es kalt, weil es nah am Nordpol liegt, aber Ägypten ist ein wunderbar warmes Land mit Stränden und einem warmen Meer, um darin zu tauchen.« Kate und ich waren mit den Jungs tatsächlich schon mal in Sharm El Sheik gewesen, aber sie waren damals viel zu klein gewesen, um sich noch daran erinnern zu können.
Als ich über diesen Urlaub sprach, spürte ich ein kleines Beben in meiner Brust. Es war teils Aufregung, teils Erleichterung. Ein weiteres eiskaltes Weihnachtsfest könnte ich nicht ertragen, so viel stand fest. Ich wollte keinen Schnee sehen, weil mich das viel zu sehr an das vergangene Jahr erinnern würde, an Kates arme Lungen, die mit der eiskalten Luft in Lappland klarkommen mussten. Die Weihnachtstage zu Hause zu verbringen war genauso unvorstellbar. Ein halbes Jahr lag schon hinter uns, aber meine Trauer würde noch nicht so schnell ein Ende finden. Und ehe wir uns versahen, stünde Weihnachten vor der Tür, und daheim ohne Kate zu feiern wäre zu schmerzlich.
Wegfahren, um mit den Jungs was Schönes in der Sonne zu unternehmen, war genau die richtige Antwort. Die Idee, nach Ägypten zu fahren, war mir natürlich schon eine ganze Weile im Kopf herumgegangen, weil es auf Kates Liste stand, aber ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, es ernsthafter in Erwägung zu ziehen. Und als es jetzt passierte, schien es das Richtige zu sein.
»Ihr müsstet euch allerdings anstrengen im Schwimmkurs«, sagte ich den Jungs. »Um im Roten Meer schnorcheln zu können, müsst ihr gute Schwimmer sein. Abgemacht?«
»Abgemacht«, sagte Reef.
Finn nickte folgsam und machte große Augen.
Mit ihnen allein in Urlaub zu fahren wäre eine echte Herausforderung und bedeutete große Verantwortung, zumal bei einem Schnorchelurlaub, aber ich war entschlossen, es zu tun. Ich musste wieder daran denken, wie Kate und ich dreimal versucht hatten, diese Reise zu unternehmen, aber wegen ihrer Behandlung immer wieder absagen mussten. Ich hatte großes Glück, eine vierte Chance zu bekommen, und wollte für einen denkwürdigen Urlaub sorgen.
»Außerdem sollten wir zusehen, dass ihr viel Praxis im Boot fahren bekommt«, sagte ich. »Wir könnten morgen eine Fahrt um den Hafen machen. Ist das in Ordnung, Schiffskameraden?«
Die Jungs nickten. Wenn Kate und ich auf dem Meer waren, gab es für uns nichts anderes mehr, und ich wünschte mir, dass auch die Jungs dieses Gefühl der Freiheit kennenlernten. Ich wollte nicht, dass sie im Haus mit den sterbenden Fischen im Aquarium blieben. Sie mussten raus, wo der Wind die Wolken vertrieb.
»Keine Sorge, zuerst kümmere ich mich um das Aquarium«, versicherte ich ihnen. »Mal sehen, was wir noch retten können.«
Wie sich herausstellte, hatte das Aquarium einen »Korallen-Crash«, der den pH-Wert explodieren ließ und alle wirbellosen Tiere und Korallen und auch die meisten Fische umbrachte. Wir waren alle entsetzt, aber es gelang mir, das Wasser zu stabilisieren, und dank der paar Fische, die überlebt hatten, beruhigten auch die Jungs sich wieder. Aber das Aquarium sah sehr verschmutzt aus und
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