Gib mir deine Seele
Lächeln zu, das sie als Zustimmung interpretierte.
Wie beiläufig legte sie die Distanz zurück. »David! Was machst du hier?«
»Pauline!« Er fiel ihr fast um den Hals, als wollte er sie küssen.
»Pass auf, du zerdrückst mir das Kleid!«
»Entschuldige. Ich freue mich so, dich zu sehen.«
»Wie kommst du hierher?« Pauline sah sich um. »Modefotografie habe ich mir anders vorgestellt.«
»Das würde ich nicht sagen. Sieh dir die Kleider an. Ich wette, deines ist auch nicht von der Stange.« Sein Blick glitt über ihre Figur. »Du bist wunderschön!«
Verlegen winkte sie ab. »Red dich nicht raus, mein Lieber. Weshalb fotografierst du bei einer Ausstellungseröffnung, als wärst du noch Pressefotograf?«
»Ich gebe zu, als ich gelesen habe, dass dein Galan …«
»David!«, unterbrach sie ihn scharf.
»Entschuldige. Dein neuer Freund.« Er sah sie mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an, fuhr dann aber gleichmütiger fort. »Na, er hat die Leihgabe der Exponate vermittelt. Der Sammler soll einige Bilder direkt aus den Ateliers der Künstler gekauft haben. Keines davon war bisher irgendwo ausgestellt. Es ist eine Sensation!«
Kein Wunder, dass Madame Soutine ihn die ganze Zeit so verzückt angesehen hat , dachte Pauline. »Wahrscheinlich ist es ein Erbe, ansonsten wäre der Sammler über hundert Jahre alt.«
»Allerdings. Ich habe nach meinen Recherchen eigentlich vermutet, dass die Bilder deinem …« Nach einem Blick in ihr Gesicht korrigierte er sich hastig. »… Monsieur Dumont, dass sie ihm gehören.« Dabei hob er die Kamera. »Bleib so, das Licht ist per-fek t !«
Ehe sie protestieren konnte, machte David eine Reihe von Aufnahmen, sodass sich einige der Gäste schließlich nach ihnen umsahen.
»Hör auf, bitte. Es ist peinlich.« Pauline drehte sich weg – und sah direkt in Constantins Gesicht.
Keine Regung war darin zu sehen, und seine Stimme hatte die nun schon bekannte, aber für Pauline immer noch bedrohlich klingende Kälte angenommen, als er sagte: »Mr. Crossbow, nicht wahr? Sie sollten jetzt gehen.«
David wollte widersprechen, doch Constantin ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Der Präsident möchte seine Ansprache halten. Die Journalisten sind bereits aufgebrochen.« Er machte eine Geste, um das Gesagte zu unterstreichen. »Oder haben Sie eine offizielle Einladung?«
»Nein, ich … ich ruf dich an, Pauline.« David eilte zur Treppe, von der aus ihn jemand ungeduldig zu sich winkte.
Vielleicht ein wohlmeinender Kollege. Alle anderen Fotografen hatten die Veranstaltung längst verlassen, und die Gäste fanden langsam ihre Plätze.
Wortlos begleitete Constantin Pauline zu ihrem Sitzplatz in der ersten Reihe. Als sie saßen, nahm er ihre Hand, hob sie an die Lippen und küsste sie leicht. Ohne sie loszulassen, sagte er: »Wilde Katzen leben in ständiger Gefahr, ma p’tite chatte .« Sein rechter Mundwinkel zuckte, und sie wusste nicht genau, ob er wütend auf sie oder auf David war, der sie, wahrscheinlich unbeabsichtigt, durch sein verrücktes Fotografieren exponiert und ziemlich in Verlegenheit gebracht hatte. Doch sie konnte es nicht herausfinden, denn Constantin sah während der gesamten Reden nicht mehr zu ihr herüber.
Pauline fand jede einzelne von ihnen langweilig, obwohl man Constantins Vermittlertätigkeit in höchsten Tönen pries sowie die außerordentliche Qualität der Exponate, auf die nun alle Gäste, sie selbst eingeschlossen, neugierig waren.
Viel Ahnung von Kunst hatte sie nicht, aber die Gemälde, die ihr Constantin wenig später in den Ausstellungsräumen zeigte, berührten ihr Herz. Zu jedem Exponat kannte er eine Geschichte, und Pauline hörte ihm begeistert zu. Schließlich blieb sie vor dem Bild eines Gartens stehen, der so echt wirkte, als müsste man nur einen Schritt machen, um hineinzutreten und auf der Bank vor dem in der Sonne glitzernden See sitzen zu können.
»Das ist eine meiner liebsten Arbeiten von Monet«, sagte Constantin. Er stand so dicht hinter ihr, dass sie seinen warmen Atem auf ihrem Hals spürte.
»Da wäre ich jetzt gern. Es sieht ruhig und friedlich aus.«
Anders als hier , fügte sie lautlos hinzu.
»Pardon!« Einige Besucher schoben sich, Broschüren oder Champagnergläser in der Hand, an ihnen und den Kunstwerken vorbei. Doch die wenigsten ließen sich Zeit, die wunderbaren Gemälde oder Skulpturen zu betrachten und auf sich wirken zu lassen. Es tat Pauline in der Seele weh, und sie fühlte sich zunehmend unwohl unter
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