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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Arizona fand, wo sie sich in den Lichtinstallationen eines Künstlers eingenistet hatte.
    Als er ihr vorwarf, seine Arbeit zu boykottieren, hatte sie gelacht. »Das tust du schon ganz allein, mein Lieber. Ich wollte mir nur ein Andenken reservieren, bevor es zu spät ist.«
    »Du hast meine Bilder!«
    »Ärgerst du dich etwa immer noch darüber, sie mir geschenkt zu haben?« Erato stand von ihrem Lager auf und bedachte ihn mit einem verführerischen Blick unter halb geschlossenen Lidern. »Die Gemälde sind sehr hübsch, aber etwas aus der Mode gekommen. Wie du, Constantin.« Mit sinnlichem Hüftschwung kam sie auf ihn zu und legte ihre Arme um seinen Nacken. »Aber du hast Glück, ich mag Antiquitäten.«
    Es kostete ihn große Mühe, nicht die Verachtung zu zeigen, die er in diesem Augenblick für sie empfand. »Kein Grund, sie mir zu stehlen«, sagte er scheinbar teilnahmslos.
    »Ich fand die New Yorker Figürchen hübsch, und sie waren schlecht bewacht.«
    »Anders als der Rodin in Paris«, sagte er zufrieden.
    »Diesen Künstler mochte ich von Anfang an, und La Dominance ist eine seiner besten Arbeiten.«
    »Da magst du recht haben, schließlich war es meine Idee.«
    »Du bist so anmaßend!« Ärgerlich schob sie ihn von sich. »Warum muss ich mich ausgerechnet mit dir herumschlagen?«
    »Weil ich die Strafe für deinen Hochmut bin.« Constantin wartete nicht ab, bis ihr Wutanfall vorüber war. Er nahm die kleinen Bronzearbeiten und wandte sich zum Gehen. Über die Schulter sagte er leichthin: »Wie schade, dass dein Plan gescheitert ist.«
    Etwas pfiff an seinem Kopf vorbei und zerschellte an der Wand, ohne weiteren Schaden anzurichten. Die Scherben sahen sehr nach Schnurkeramik aus, stellte er mit einem Seitenblick fest. Für das Neolithikum hatte sich Erato noch nie erwärmen können.
    »Wirklich Pech!«, sagte er und schloss die Tür hinter sich.
    Woher hätte sie auch wissen sollen, dass er die drei Bronze-Figuren aus dem New Yorker Museum kurz zuvor Artemis geschenkt hatte? Die exzentrische Göttin besaß einen erheblichen Einfluss auf ihren Bruder Apollon, Herr der Musen und damit Eratos direkter Vorgesetzter. Verärgert hatte sie Constantin angewiesen, ihr Eigentum zurückzuholen und ihm erfreulicherweise auch mitteilen lassen, wo es zu finden war.
    Constantin konnte sich glücklich schätzen, Artemis’ Wohlwollen zu besitzen. Nun betrachtete er die Skulpturen in seinem Safe und schloss ihn dann. Der Rodin hatte Pauline besonders beeindruckt. Vielleicht würde er ihn ihr eines Tages schenken.
    Das Kostüm passte wie angegossen. Pauline drehte sich vor dem Spiegel und spürte, wie sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete. Ihr kam es auf einmal so vor, als hätte sie die ganze Zeit nur geträumt, diese Rolle zu singen. All die szenischen Proben, die Klavierproben, die vielen Stunden, die sie mit Martin an der Partie gearbeitet hatte, während sich Elena weiter um ihre Stimmentwicklung kümmerte, das Warten auf Einsätze, die Wiederholungen und Rückschläge. All dies schien vollkommen losgelöst von der Pauline gewesen zu sein, die an Constantins Seite in eine neue Welt eingetaucht war. Und ausgerechnet hier, in dem kleinen Raum der Gewandmeisterin, in diesem schlichten Kostüm, ihrem Kostüm, fanden diese beiden Hälften zusammen und wurden eins. In dem Augenblick, in dem sie in ihre Bühnenschuhe schlüpfte, war sie nicht mehr Pauline, die eine Rolle spielte. Sie wurde zu der jungen Micaëla und kannte nichts anderes mehr als deren Begehren und Sehnsüchte.
    »Es ist wunderbar. Meravellós! «, rief sie und fiel der Schneiderin um den Hals, die erst ein wenig steif dastand, dann aber ihre Umarmung herzlich erwiderte.
    Diesen Augenblick unbeschreiblichen Glücks hätte sie gern mit jemandem geteilt. Doch Constantin war bei allem Interesse, das er für ihre Arbeit zeigte, eben kein Theatermensch. Henry traf sich in Madrid mit dem Kostümbildner, der ihr das Praktikum verschafft hatte, und mit den Kollegen war Pauline nicht so vertraut, dass sie mit ihnen über ihre Gefühle gesprochen hätte.
    Im Grunde , dachte sie, als fröhliches Gelächter aus der Schneiderwerkstatt zu ihr herüberwehte, im Grunde haben es die Leute, die hinter der Bühne arbeiten, viel besser als wir . Auch wenn sich die einzelnen Abteilungen nicht immer grün sein mochten, so kamen ihr diese Teams an den Theatern doch meist wie eine gut geölte Maschinerie vor, in der die auswärtigen Künstler mit ihren Spleens und Allüren

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