Gib mir deine Seele
seinen Armen.
»Gib ihr Zeit zum Nachdenken«, hatte Nicholas geraten. »Bis die Jahresfrist nicht verstrichen ist, wird sich niemand an ihr vergreifen.«
Obwohl er wusste, dass sein Freund recht hatte, kostete es Constantin ungeheure Willenskraft, nicht sofort zu ihr zu eilen.
Doch nun war er da und offensichtlich gerade rechtzeitig, um zu verhindern, dass sie sich vom Dach stürzte.
»Pauline, nein!« Mit wenigen Schritten überquerte er die Dachterrasse, riss sie vom Geländer fort. »Du darfst das nicht tun!«, sagte er und fiel vor ihr auf die Knie.
Pauline schrie erschrocken auf, erkannte ihn im nächsten Moment und kniete sich ebenfalls vor ihn hin. Sie lachte und weinte gleichzeitig und flüsterte immer wieder: »Da bist du ja! Du hast mir so gefehlt, Constantin. Ohne dich kann ich nicht leben!«
»Warum hast du dich nicht gemeldet? Ich wäre sofort zu dir gekommen.« Er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. »Pauline, mir vorzustellen, ich hätte dich in diesem Augenblick verloren …«
»Pst!«, sagte sie sanft und küsste ihm die Tränen aus dem Gesicht. »O Gott, weine doch nicht! Es ist ganz anders, als du denkst.«
Doch er hörte nur auf den Klang ihrer Stimme. Ihre Worte ergaben keinen Sinn. All die Furcht und die Verzweiflung brachen sich Bahn durch den Schutzwall, den er in den letzten Jahrhunderten um die verletzte Seele gezogen hatte und den seine geliebte Pauline mit einem einzigen Augenzwinkern zum Einsturz bringen konnte. »Es tut mir so unendlich leid. Bitte vergib mir!« Constantin verbarg das Gesicht an ihrer Schulter und weinte lautlos. Zärtlich umfangen von den Armen einer einzigartigen Frau, die ihn trotz seiner Schwächen so sehr liebte, dass sie ihm bedenkenlos ihre Seele anvertraut hatte.
Der Wind frischte auf, und er ließ zu, dass sie ihn an der Hand nahm, in ihr Zimmer führte.
»Liebe mich«, verlangte sie, zog ihr Kleid aus und warf es achtlos in die Ecke. »Liebe mich, als wäre es das letzte Mal.« Sie streifte ihm die Jacke über die Schultern, hielt ihn darin gefangen und küsste ihn. »Liebe mich, mein schöner, wunderbarer Mann.«
Als sie sich ihm schließlich in Ekstase entgegenbog, glich ihre Stimme dem hungrigen Fauchen einer geschmeidigen Großkatze. »Liebe mich, meine Muse.«
Sie liebten sich und fütterten sich zwischendurch gegenseitig mit Köstlichkeiten, die ein Kellner ihnen mit hochrotem Kopf serviert hatte. Constantin erfüllte ihr jeden erotischen Wunsch, den sie äußerte, bis Pauline gegen Mitternacht verlangte: »Sag mir die Wahrheit, Constantin. Haben wir eine Chance?«
»Ich weiß es nicht, Pauline.« Er setzte sich auf.
»Wie geht so etwas normalerweise vonstatten? Erzähl es mir, ich will wissen, welches Schicksal mich erwartet.«
»Das kann ich nicht.«
»Warum?« Ungläubig sah sie ihn an.
»Weil ich es wirklich nicht weiß. Sie nehmen mir hinterher die Erinnerung.« Das war die Wahrheit. Würde sie ihm glauben?
»Das klingt logisch«, sagte sie zu seiner großen Erleichterung. »Du könntest mit Sterblichen … ähm, anderen darüber sprechen. Was geschieht, wenn du ihnen den Dienst verweigerst?«
»Dann schicken sie mich nach Tartaros.« Er interpretierte ihren Blick richtig und ergänzte: »Sie schicken mich in die Hölle.«
»Das ist also keine Option. Ich will, dass du lebst. Hier. Nicht in irgendeinem Fegefeuer.« Sie ließ ihn nicht zu Wort kommen, als er widersprechen wollte. »Egal, was mit mir passiert!«
»Pauline …«
»Genug geredet. Ich möchte mit dem Gefühl sterben, das Leben bis zur letzten Sekunde ausgekostet zu haben.« Sie beugte sich vor und flüsterte: »Meinst du, die Küche würde uns noch ein bisschen Ingwer spendieren?«
»Und wenn ich ihn einfliegen lassen müsste, du bekommst deinen Ingwer. Noch Wünsche?«
Wie zufällig berührten Paulines Finger ihren Bauch und glitten ein Stück tiefer.
Er konnte seinen Blick kaum losreißen. »Wie bitte?«
»Ich dachte, gut gekühlter Champagner wäre nicht schlecht und … Kerzen.« Sie zeigte auf den Leuchter. »Die sind komplett heruntergebrannt.«
»Süßes Luder! Aber Erdbeeren und Schlagsahne willst du nicht?«
Pauline deutete ein Gähnen an. »Das hatten wir doch schon.«
Als er nach ihr greifen wollte, sprang sie aus dem Bett und lief ins Bad. Constantin rief beim Concierge an und gab seine Bestellung auf. »Sie haben nicht zufällig einen Rohrstock zur Hand?«, fragte er zum Schluss beiläufig.
Der Mann lachte. »Wenn du zum Weibe
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