Gib mir deine Seele
Pauline legte ihr Handy beiseite, danach trank sie ihren kalt gewordenen Kaffee und sah Constantin entschuldigend an. »Ich muss leider schon wieder telefonieren, ich habe Marguerite versprochen, sie anrufen.«
Doch er griff selbst zum Telefon. »Kein Problem.«
Es stellte sich heraus, das Marguerite bereits die halbe Aufzeichnung im Internet angesehen hatte. »Ich bin so stolz auf dich! Und …« Nun klang sie unsicher.
»Ja?« Alarmiert fragte Pauline nach.
»Danke dir, dass ich weiter im Haus wohnen kann.«
»Hast du etwa irgendetwas anderes erwartet?« Vollständig gelang es ihr nicht zu verbergen, dass sie verletzt war.
»Nein! Natürlich nicht. Aber was ist schon selbstverständlich? Ich bin dir wirklich dankbar.«
»Ach, Marguerite. Du bist doch das Liebste, was ich noch habe!«
»Sag das nicht, Kind. Sag das nicht.«
Kaum hatte sich Marguerite mit diesen Worten verabschiedet, als schon der nächste Anrufer in der Leitung war.
»Hey, Baby! Großes Kino, was du da abgeliefert hast. Habe ich es dir nicht gleich gesagt?«
»Julian?« Sie hob den Kopf und sah, wie sich Constantins Miene auf bemerkenswerte Weise verfinsterte.
Während der Pianist ihr weiter Komplimente machte, beendete Constantin sein Telefonat und schenkte sich Kaffee nach. Ohne zu zögern, trank er das heiß dampfende Gebräu in einem Zug aus.
Für einen kurzen Augenblick war Pauline abgelenkt. Er muss sich doch die Zunge verbrannt haben. Machte ihm das überhaupt nichts aus? Dann schüttelte sie den Gedanken ab und sagte: »Julian, wie lieb von dir. Aber ich muss zurück nach London, mein Flieger geht am Abend.« Sie lauschte einen Moment lang. »Unbedingt. Wir sollten uns wiedersehen. Dann würde ich dir auch gern einen guten Freund vorstellen.«
»Wer soll das sein?« Julian klang desinteressiert, als erwarte er den Namen eines unbekannten Fans zu hören, den er ganz gewiss nicht treffen wollte.
»Constantin Dumont. Oder warte mal, ihr kennt euch schon, nicht wahr?«
Julian lachte anerkennend. »Allerdings. Ruf mich an, wenn du mal Lust auf einen Dreier hast … oder einen Pianisten brauchst, Baby.« Damit beendete er das Gespräch.
»Was für ein frecher Kerl. Aber ich bin ihm unendlich dankbar für seine Unterstützung.« Sie sah Constantin scharf an. »Ist er dein Untermieter in Berlin?«
Das erneute Klingeln ihres Handys enthob ihn einer Antwort. Pauline war sich ohnehin sicher, mit ihrer Frage ins Schwarze getroffen zu haben.
»Marcella Bonetti«, hörte sie die raue Stimme ihrer Agentin, die ihr erneut zum Gewinn des Preises gratulierte. »Das Telefon steht hier nicht mehr still!«
Das klang allerdings eher zufrieden als nach einem Vorwurf. »Soeben«, sagte Marcella nach einer kurzen Pause, »kommt eine Nachricht aus Berlin herein. Der Dirigent der Philharmoniker würde dich gern demnächst einmal kennenlernen. Es gibt auch schon Anfragen verschiedener Produktionen. Wenn dich jemand auf berufliche Dinge anspricht, sag nichts, sondern verweise ihn an mich. Wir werden alles sammeln und dann gemeinsam entscheiden.«
Erleichtert versprach Pauline, keine überstürzten Zusagen zu machen. Allmählich begann sie zu begreifen, dass der gestrige Tag ihr Leben endgültig auf den Kopf gestellt hatte. Sie musste sich zwingen, ihrer Agentin weiter zuzuhören.
»… und heute Nachmittag gibst du einem Kultursender ein TV-Interview. Sprichst du Französisch?«
Als Pauline bejahte, sagte Marcella: »Prima. Das Gespräch wird in den Studios des Bayerischen Rundfunks aufgezeichnet. Hast du genügend Geld, oder soll ich dir etwas überweisen?«
Pauline fand es nett, dass ihre Agentin auch an die chronische Finanznot junger Künstler dachte, obwohl sie doch überwiegend Weltstars betreute.
»Nein, danke. Das bekomme ich schon hin. Aber wegen der Unterlagen – ich bin nicht mehr in der Pension.« Rat suchend sah sie zu Constantin. »Einen Augenblick …«
Der hatte das Gespräch offenbar halbwegs mitgehört und soufflierte: »Sag ihr, dass sie die Unterlagen hierherschicken soll.« Damit reichte er ihr eine Karte des Hauses, auf der eine Faxnummer sowie eine E-Mail-Adresse standen.
Pauline fragte sich zwar, woher die Hotelangestellten ahnen sollten, dass sie hier wohnte, aber er würde schon wissen, was er tat.
»Hier bin ich zu erreichen.« Sie nannte die Adresse und hörte die Agentin nach Luft schnappen.
»Ich hoffe, du weißt, was du tust«, sagte Marcella schließlich.
»Das hoffe ich auch.« Aus dem Augenwinkel
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