Gib mir deine Seele
der sich Pauline bisher hatte beunruhigen lassen, meldete sich erneut. Doch dieses Mal wollte sie nicht darauf hören.
Was riskierte sie denn schon? Die kommenden Monate bis zum einundzwanzigsten November mussten einfach ausreichen, um aus ihrer Affäre eine Beziehung zu machen. Denn das war es, was Pauline sich wünschte. Sie hatte sich in Constantin verliebt. Und auch er musste mehr für sie empfinden – anderenfalls hätte er ihr kein Angebot gemacht, das ihn ebenso in die Pflicht nahm wie sie. Wenn es zwischen uns nicht klappt, habe ich nichts verloren. Höchstens an Erfahrung gewonnen.
Die Erinnerung an die Nacht in Venedig, in der er sie gerettet – oder zumindest vor einer Menge Schwierigkeiten bewahrt – hatte, ließ Pauline kurz innehalten. Schon damals hatte die Intensität, mit der er sie umsorgte, nicht nur ihr Interesse erregt, sondern ihr Inneres auf eine ganz besondere Weise berührt. Nie zuvor war sie mit einer vergleichbaren Aufmerksamkeit von einem Mann behandelt worden, dessen Anblick sie geradezu betörte.
In München hatte er von Verantwortung gesprochen und von der Pflicht des dominanten Liebhabers, sich um das Wohlergehen des anderen zu kümmern. Und nicht zuletzt gefiel es ihr, dass sich Constantin, anders als ihre Freunde und Familie, nicht in ihre Karriere einmischte.
Er ist der Richtige für mich. Ganz bestimmt!
Hoffentlich war es noch nicht zu spät. Nervös lehnte sie sich vor dem Pub an den schwarz lackierten Eisenzaun und suchte seine Nummer. Holte tief Luft und drückte dann auf Wählen.
»Ja!«
Seine Stimme klang distanziert, obwohl er gesehen haben musste, wer ihn anrief.
Beinahe hätte sie den Kopf verloren und wieder aufgelegt. »Können wir uns sehen?«, platzte es aus ihr heraus. All die verführerischen Sätze, die sie sich seit Tagen für diesen Augenblick ständig neu zurechtgelegt hatte, waren vergessen.
»Warte eine Minute.«
Frauengelächter war im Hintergrund zu hören, leise Pianomusik, Gläser klirrten. Wo war Constantin? In einer Bar oder wieder auf einer Party?
Er schien den Raum zu durchqueren, plötzlich verstummten die Geräusche, eine Tür war zugefallen. Eine Spur wärmer, doch immer noch in dem für ihn typischen reservierten Tonfall fragte er: »Gibt es dafür einen bestimmten Grund?«
»Ich habe mich entschieden.«
»Gut.« Er fragt nicht nach.
Für den Moment sprachlos, überlegte sie, was sie nun sagen sollte. Einen Termin vorschlagen, nach der Frau auf dem Foto fragen? Glücklicherweise ließ er ihr dafür keine Zeit.
»Nicholas holt dich morgen um zwölf Uhr ab.«
»Ich kann auch die U-Bahn nehmen. Weißt du, das mache ich fast jeden Tag«, entgegnete sie provozierend.
»Nein, kannst du nicht.«
War er jetzt ärgerlich? Verunsichert fragte sie: »Was soll das heißen? Wo bist du denn?«
»Meine Spielregeln. Schon vergessen, ma petite ?«
War er so sicher, sie würde Ja sagen, dass er sie womöglich irgendwohin fliegen ließ?
»Pauline, du kannst mir vertrauen. Das weißt du, sonst hättest du mich nicht angerufen. Habe ich recht?«
»Stimmt«, gab sie zu, »aber ich wüsste gern, was mich erwartet. Wenn du nicht in der Stadt bist, was ich jetzt mal annehme, könntest du theoretisch ja auch am Südpol sitzen. In diesem Fall würde ich kaum Abendkleider einpacken.« Allmählich gewann sie ihre Fassung zurück. »Sondern wollene Schlüpfer.«
»Untersteh dich!« Constantins Lachen rieselte wie Sternenstaub auf ihre Seele. »Du brauchst dir keine Gedanken über wärmende Dessous zu machen. Ich bin in Paris, und sollte dir wirklich etwas fehlen, dann bin ich überzeugt, dass man es hier besorgen kann.«
»Das ist wohl wahr.« Mit diesem Teilsieg gab sie sich zufrieden.
» À demain, ma petite. Bis morgen.« Damit legte er auf.
Paris! Also Abendkleid statt Wollsocken. Pauline beeilte sich, nach Hause zu kommen, um ein paar Sachen für ihre Reise ins Ungewisse zusammenzupacken.
Das Kätzchen zeigte Krallen. Ich kann auch die U-Bahn nehmen. Weißt du, das mache ich fast jeden Tag , hatte sie gesagt.
Constantins Erheiterung, das wusste er, enthielt auch Freude darüber, dass sich Pauline endlich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. Er hatte ihre Antwort nicht am Telefon erfahren wollen, denn noch war er sich nicht sicher, ob sie sein Angebot annehmen würde. Diese quälende Ungewissheit gefiel ihm so sehr, dass er sich ohne Bedauern von seiner zauberhaften Gastgeberin verabschiedete. Er war heute Abend hierhergekommen, um seiner
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