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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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ausprobiert haben konnte, wie Luke, und dann doch irgendwie peinlich berührt davon sein. Trotzdem, interessant war’s schon.
    Wortlos überquerten wir die Straße. Auf der gegenüberliegenden Seite lag der hell erleuchtete Royal Pavillon – Brightons Taj Mahal –, der seine blassgoldenen Kuppeln und Zwiebeltürmchen in den Nachthimmel reckte.
    Aus irgendeinem Grund heiterte mich die Märchenschloss-Spleenigkeit dieses Ortes auf. Und als ich die grellen Lichter des Palace Pier sah, die am Ende der Straße blinkten, spürte ich einen Schauer kindlicher Erregtheit.
    Plötzlich wollte ich losrennen zu Ilyas Pension, meine Arme um ihn schlingen und mit ihm in sein merkwürdiges Bett sinken. Ich wollte nicht überzeugen und überreden müssen, während Luke danebenstand und vielleicht den Spielverderber machte. Ich wollte nicht Ilyas Zorn auf mich ziehen oder seine Ablehnung spüren.
    Ich wollte nur, dass zwischen uns wieder alles gut würde. Wir würden weiterhin jede Menge Sex haben – schmutzigen, dreisten, schlampigen Sex –, aber unter unserem Spiel würde jetzt etwas anderes, Neues liegen: wirkliches Vertrauen und Verständnis füreinander, Einvernehmen darüber, was wir taten und wohin es führen sollte. Wir würden aufhören, einander übertrumpfen zu wollen, stattdessen wären wir gleichgestellt, beide gleichermaßen engagiert, gleichermaßen ehrlich.
    Aber die heitere Unverbindlichkeit, die Ilya am Telefon gezeigt hatte, ließ eher darauf schließen, dass er sich lieber zurück- als vorwärtsbewegen wollte. Na gut, dachte ich, lassen wir’s also drauf ankommen.
    Als wir in die breitere und belebtere St. James Street einbogen, wurde meine Entschlossenheit noch gestärkt. Ich begann die Aura des Lasterhaften zu spüren, das sich hier sowohl augenfällig und grell als auch heimlich zeigte. Die Vitalität der Schwulenszene steckte mich an. Nicht so sehr der Trubel in den Clubs und Bars: Ich dachte eher an schnelle Anmache, schwüle Saunas und all die Sachen, die dem Hörensagen nach in den Toiletten unten am Strand vor sich gingen.
    Erwartungsvoll sah ich meinem ersten Erlebnis entgegen, bei dem sich zwei Jungs miteinander in einem zwielichtigen Bed & Breakfast vergnügen sollten. Wenn Ilya die Uhr zurückdrehen wollte, von mir aus. Aber heute Abend gab ich den Ton an. Darauf musste er sich schon einlassen oder eben nicht.
    «Es wird dir Spaß machen», versprach ich und zog Luke mit einem Arm um seine Taille an mich. «Du wirst Ilya mögen, wenn du dich an seine Art gewöhnt hast.»
    In diesem Ton schnatterte ich weiter, fütterte Luke mit ermunternden Worten, Lügen und ein paar Anzüglichkeiten, um ihn in Stimmung zu bringen.
    Wir kamen an armseligen Seitenstraßen vorbei, in denen billige Hotels mit schmalen Eisenbalkonen dicht an dicht lagen; ich dachte daran, dass Leute in früheren Zeiten, als es mit dem Sex noch viel schwieriger war, sich in solche Läden wohl als Mr. und Mrs.   Smith eingemietet haben mussten. Diese Nacht war voller Lust: heimlich und verboten, anonym und roh – so als ob sich diese Stimmung hier über die Jahrzehnte aufgestaut hätte.
    «Irgendwo dahinten», sagte ich, als ich unsere Seitenstraße entdeckte.
    «Brrrr», machte Luke und lachte nervös.
    Und er hatte recht: Brrrr.
    Die enge Straße war unheimlich und düster, rechts und links gesäumt von den typischen Seebäderhäusern, grau und schmutzig pastellfarben. Die viel zu weit auseinanderliegenden Straßenlaternen spendeten spärliches weißes Licht und erhellten die Gasthausschilder, die hier und da aus den Fassaden hervorschossen.
    Ich betrachtete ein nicht erleuchtetes Erkerfenster, vor dem schmuddelige Tüllgardinen hingen. Handgeschriebene Schilder, die an die Scheiben geklebt waren, gaben Auskunft über die Zimmerpreise. Bitte, Ilya, lass deine Bleibe zu den besseren in dieser Straße gehören.
    Ich suchte nach dem Zettel, suchte nach Namen und Hausnummer und ging dann erleichtert weiter.
    Ilyas Bed & Breakfast sah tatsächlich nicht so übel aus: Es war größer, stattlicher und wirkte etwas ordentlicher als die meisten anderen – aber das war auch wirklich nicht sehr schwer.
    Die Tür war allerdings nicht offen, und wir mussten klingeln. Ein Mann in beigefarbener Strickjacke und mit dazu passendem Gesicht und Haar öffnete uns.
    «Wir würden gern einen Gast in Zimmer neun besuchen», sagte ich.
    Der beigefarbene Mann seufzte lediglich und bedeutete uns mit einem Kopfnicken, dass wir mit in die kleine

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