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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Kalkbrenner wie ein Schlag: Seine Tochter war erwachsen geworden. Er verspürte Zorn auf sich selbst, weil er bis heute nichts davon mitbekommen hatte.
    »Paps, du siehst schon wieder so aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
    »Nein, ich habe nur dich gesehen. Und ich habe mich darüber gefreut, wie erwachsen du geworden bist.«
    »Willst du mir damit etwa sagen, ich bin alt geworden?«
    »Nein, nein, im Gegenteil. Du bist, ich meine …« Kalkbrenner fehlten die Worte. »Na ja, du bist einfach … kein Mädchen mehr. Du bist eine junge Frau.«
    Noch immer sah sie ihn argwöhnisch an.
    Endlich fielen ihm die richtigen Worte ein. »Ich will damit nur sagen: Ich bin unheimlich stolz auf dich. Und ich freue mich, dass wir uns wieder so gut verstehen.«
    Jetzt verschwand ihre misstrauische Miene, und sie lächelte. Es war das Lächeln ihrer Mutter. Sie schob die Garnelen zum Warmhalten in den Ofen, dann kam sie auf ihn zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange: »Hab dich lieb, Paps.«
    Eine Viertelstunde später bekamen alle Hunger, als der Essensduft durch das Haus zog. Kalkbrenner rief die Familie an den Tisch. Der Wein hatte bereits die Stimmung beflügelt, und sie alberten ausgelassen herum.
    Ellen schlug mit einem Löffel gegen ihr Glas und wartete, bis ihr die ungeteilte Aufmerksamkeit gehörte. »Was haltet ihr davon, wenn wir vier einfach mal für ein Wochenende wegfahren?« Sie sah in Kalkbrenners Richtung. »Natürlich erst, sobald du deinen Fall abgeschlossen hast.«
    Jessy klatschte in die Hände. »Ans Meer?«
    »Wie wäre es mit der Datsche meiner Eltern?«
    Ellens Eltern hatten gleich nach der Wende ein kleines Ferienhaus gekauft, das sie ihr hinterlassen hatten; es lag direkt vor den Toren Berlins in der Uckermark, inmitten scheinbar endloser Weizenfelder. Sie waren schon lange nicht mehr dort gewesen. Kalkbrenner hatte beinahe vergessen, dass es die alte Datsche überhaupt noch gab.
    »Gerne«, stimmten Jessy und er unisono zu. Leif wurde gar nicht mehr gefragt, er war sowieso überstimmt.
    Kalkbrenner holte gerade das Essen, als sich sein Handy meldete. Weil er in jeder Hand mit Topflappen einen heißen Teller balancierte, bat er Jessy, das Gespräch entgegenzunehmen.
    Offenbar war der Anrufer verwirrt, denn sie sagte: »Ich bin seine Tochter.« Und dann: »Mein Vater hat keine Zeit.«
    »Wer ist denn dran?« Kalkbrenner stand jetzt neben ihr.
    »Er sagt, er sei dein Kollege.«
    »Ist es was Wichtiges?«
    »Er sagt, er muss unbedingt mit dir reden.«
    Sie reichte ihm das Motorola. Kalkbrenner legte die Topflappen aus den Händen. »Ja, bitte?«
    »Hier ist Sebastian.« Die Stimme seines Kollegen klang gedämpft. »Tut mir leid, wenn ich dich störe.«
    »Ist schon okay.« Das war gelogen.
    »Kommst du gleich zum Alexanderplatz?«
    Es klang wie eine Frage, aber natürlich war es keine. Kalkbrenner blickte zur Wand. Über der Couch hatte Jessys Ölbild inzwischen einen neuen Platz gefunden. »Ist es wichtig?«
    »Ja, Dr. Salm sagte, das wäre es.«
    Mit einem Seufzen legte Kalkbrenner auf. Er schaute in die neugierigen Gesichter. »Worauf wartet ihr? Esst, sonst wird es kalt.«
    »Paps, ist es wichtig?«
    »Ja, ich denke schon.«
    »Dann solltest du fahren.«
    Es vergingen mehrere Sekunden. »Ja, vermutlich hast du recht.« Es klang, als müsste er sich selbst überzeugen.

46
    »Was glauben die eigentlich, wer sie sind?« Dossantos entstieg dem Chrysler. Vor den Bougainvilleen im Vorgarten seiner Finca ging er in die Hocke. An der Blumenbeetbegrenzung, am Übergang zum Asphalt, waren einige Blüten von den Stängeln gebrochen. Er hob die Pflanzenreste auf und hielt sie sich vor die Nase. Sie rochen süßlich, beinahe exotisch. Ihr Duft beruhigte sein Gemüt.
    Bruno öffnete die Tür zum Haus. Dossantos folgte ihm in das Foyer der Villa, seine Absätze klapperten auf dem Marmorboden. »Was glauben die, mit wem sie es hier zu tun haben?«
    »Mit wem, glaubst du, haben sie es denn hier zu tun?«, fragte Boccachi.
    Das Leder seiner Slipper quietschte, als Dossantos vor der breiten Flügeltreppe, die von der großen, weißen Vorhalle hinauf in die Schlafzimmer führte, stehen blieb. »Was soll das heißen?«
    »Nun, ganz einfach: Wer bist du?«
    Mehrere Ming-Vasen, die Catharina vor vielen Jahren auf einer Auktion bei Sotheby’s ersteigert hatte, waren zu beiden Seiten der geschwungenen Treppe aufgereiht. Orientalisches Porzellan, das zwar im schrillen Kontrast zum spanischen Flair der Finca stand,

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