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Gift und Geld

Gift und Geld

Titel: Gift und Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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gesagt, Lieutenant!«
    Damit
hatte er natürlich recht. Ich hatte die Möglichkeit einer Hintertür nicht
erwähnt, und es war meine Schuld. Für wen, zum Teufel, hielt ich mich
eigentlich, daß ich erwartete, Polnik würde einen
eigenen Gedanken fassen?
    »Schon
gut«, sagte ich müde. »Wir wollen nachsehen, ob er jetzt zu Hause ist.«
    Wir
traten in den Hausflur des Appartementgebäudes, und eine übergewichtige Dame in
einem schmierigen, mit Pelz besetzten Morgenrock kam in einer Art
Elefantentanzschritt auf uns zu. Ihren trüben Augen und dem rotgeäderten
Gesicht nach zu schließen hatte sie die ganze Skala zwischen den goldenen
zwanziger Jahren bis zu den verfressenen sechziger Jahren mit Hingabe
durchlebt.
    »Was
wollen Sie?« fragte sie mißtrauisch mit einer zu dem Morgenrock passenden,
pelzig klingenden Stimme. »Ich bin die Besitzerin hier.«
    »Polizei«,
sagte ich. »Wir kommen vom Büro des Sheriffs — wir wollen Kirkland sprechen.«
    »Ich
habe ihn seit zwei Tagen nicht gesehen«, sagte sie und schnaubte laut. »Was hat
er angestellt?«
    »Wir
wollen nur ein paar Fragen an ihn stellen«, sagte ich geduldig. »Was für eine
Nummer hat sein Appartement?«
    »Vierzehn
— im ersten Stock«, sagte sie. »Ich zeige Ihnen den Weg.«
    Sie
war schon auf der dritten Treppenstufe, bevor ich sagen konnte, sie solle sich
nicht bemühen — und dann war es zu spät. Wir folgten ihr hinauf, sie blieb vor
dem Appartement stehen und wies auf die mit 14 bezeichnete Tür. »Dort drinnen«,
sagte sie mit belegter Verschwörerstimme , die lauter
war, als wenn sie wild gekreischt hätte. Ich klopfte an die Tür und wartete — und
klopfte dann so lange, bis es sonnenklar war, daß ich den ganzen Tag über
warten konnte und sich niemand die Mühe nehmen würde, aufzumachen.
    »Glauben
Sie, daß er sich da drinnen versteckt hat?« fragte das fette Schreckgespenst
begierig. »Vielleicht mit einer Pistole?«
    »Vielleicht
ist er auch weggegangen«, sagte ich mit gepreßter Stimme. »Gibt es einen Hinterausgang in diesem Haus?«
    »Klar!«
sagte sie. »Er geht auf die Hinterstraße hinaus.«
    »Kein
Mensch hat mir was davon gesagt, Lieutenant«, beschwerte sich Polnik ,
    »Man
kann heutzutage keinem Menschen trauen«, pflichtete ich bei. »Haben Sie einen
Nachschlüssel für das Appartement?« fragte ich die Dame.
    »Klar!
— Wollen Sie einen Blick hineinwerfen?«
    »Ja.« Was nützte es?
    »Ich werde ihn holen.« Sie
watschelte voller Energie wieder zur Treppe.
    Polniks widerwärtiges Gesicht sah noch
widerwärtiger aus, nachdem sie verschwunden war. »Was für ein Frauenzimmer!«
brummte er. »Himmel, Lieutenant, gegen die sieht sogar meine Alte noch gut aus!«
    »Ja«, bestätigte ich. »Diesen
Fettbrocken eine Weile um einen herum, und man fängt an, sich über die hohe
Zahl derer zu wundern, die heterosexuell bleiben.«
    »Ich hätte Sie nie für einen
dieser Spinner gehalten, Lieutenant!« Die Augen des Sergeanten traten hervor,
während er mich entsetzt anstarrte. »Sie doch nicht...? Mit all diesen Weibern
und so!«
    »Heterosexuell bedeutet
normal«, knurrte ich.
    »Ach so!« Er gab einen
ungeheuren Seufzer der Erleichterung von sich. »Und daß Sie das sind, kann
niemand behaupten, Lieutenant, nicht?«
    Ich wurde sowohl einer Antwort
wie auch der Gefahr, wegen Körperverletzung belangt zu werden, durch das
gewichtige Knarren auf der Treppe enthoben, das die Rückkehr von Lady Macbeth
anzeigte. Es gibt einen Haufen gängiger Bezeichnungen dafür, was jemand mit
seiner Atemluft anstellt — tiefe Seufzer ausstoßen, nach Luft japsen, Keuchen —
, aber dies war das erstemal , daß ich hörte, wie
jemand hysterisch wimmernd schnaufte. Es klang, als wenn jemand sich bei
gezogenen Registern auf die Tastatur einer Orgel setzt.
    »Hier — ist — der — Schlüssel«,
verkündete sie in abgehackten Kläfflauten wie ein
kurzatmiger Bluthund auf frischer Spur.
    »Sie sollten sich Zeit lassen«,
sagte Polnik mit allem Ernst zu ihr. »Oder Sie fallen
demnächst tot auf der Treppe um, und man wird einen Hebekran brauchen, um Sie
von hier wegzutransportieren !«
    Ich
drehte den Schlüssel im Schloß und trat in das Appartement. Das Wohnzimmer
hatte ebensoviel Individualität wie ein halbwüchsiger
Rock- and -Roll-Sänger. Die einzige persönliche Note
war ein Foto von Rita Keighley , das auf dem Tisch
stand und mit »Ich
liebe Dich, Jimmy! — Rita« unterschrieben war.
    »Vielleicht
ist er mit ihr zusammen im Schlafzimmer?«

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