Gift
ausgesprochen kundiger und erfahrener Mann,
und ich bin sicher, er kann etwas gegen deinen Husten tun und dir
vielleicht sogar dabei helfen, mit dem Rauchen aufzuhören.«
»So, wie er dir geholfen hat?«, fragte sie spöttisch.
»Das ist mein voller Ernst, Melba. Kommst du mit?«
»Hast ja gewonnen. Du vereinbarst einen Termin, und ich gehe
hin.«
Nach Melbas Zusage war es Samuel deutlich wohler. Er hatte
blindes Vertrauen in Mr. Song und war fest davon überzeugt, dass er
seiner alten Freundin mit seinen geheimnisvollen Heilkräutern und einer
Hypnosebehandlung helfen würde. Eigentlich wollte er nach Hause, aber
er zögerte noch einen Moment, weil er nicht wusste, wie er die Frage,
die ihm auf der Zunge brannte, stellen sollte, ohne sich wie ein
kompletter Vollidiot anzuhören. »Möchtest du noch was trinken?«, fragteMelba.
»Nein, ich hatte bereits zwei Drinks.«
»Dann nehme ich mal an, du willst wissen, wo Blanche ist. Sie
ist nicht hier und wird heute Abend auch nicht mehr herkommen.«
»Nein, Melba, es ist wegen Janak und Blanche«, stotterte
Samuel. »Ich wollte nur wissen, ob …«
Melba begann zu lachen und bekam prompt einen weiteren
Hustenanfall. Samuel wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern
verließ fluchtartig das Camelot und machte sich auf den Heimweg. Um
nicht länger an Blanche denken zu müssen, legte er sich sofort
schlafen. Ihm war klar, gegen Janak hatte er keine Chance. Der Anwalt
war zwar kein Adonis, aber viele Frauen standen auf äußerlich
unattraktive Männer, und es war durchaus möglich, dass Blanche zu ihnen
gehörte. Am nächsten Tag würde er Melba einen Termin bei Mr. Song
beschaffen. Er fragte sich, ob der alte Chinese in seinem exotischen
Laden auch Kräuter hatte, die als Aphrodisiakum gute Dienste leisteten.
Vielleicht konnte er Blanche auf diese Weise für sich
gewinnen … Er beschloss, sich diesbezüglich zu erkundigen, und
setzte es als weiteren Punkt auf seine Liste.
Janak fuhr in seine Kanzlei, die sich im
zehnten Stock des Hauses gegenüber dem Palace Hotel in der Market
Street befand. Er stürmte durch das kleine, beengte Wartezimmer, das
mit Secondhandmöbeln eingerichtet war, an den zwei Schreibtischen
seiner Sekretärinnen vorbei in sein chaotisches Büro, in dem jedes
Möbelstück mit Akten übersät war. Auf dem Boden lagen ein Regenmantel
und ein Schirm, und neben dem Fenster vegetierte ein Ficusbäumchen in
seinem Topf vor sich hin. Janak knipste das Licht an, wodurch das Chaos
nur noch deutlicher zutage trat. Um sich auf die Akte auf seinem
Schreibtisch konzentrieren zu können, musste er die Schreibtischlampe
anmachen. Er schaute sich um und nahm erstaunt zur Kenntnis, wie
beschäftigt – und chaotisch – er geworden war, seit
er vor zwei Jahren seine Kanzlei eröffnet hatte.
Während er die wenigen Zeitungsmeldungen über den
Mord – das Einzige, was er über den Fall hatte – zu
sortieren begann, dachte er an seine Kindheit in Cleveland, Ohio, und
an seinen tschechischen Vater, der, nachdem er den Schrecken des Ersten
Weltkriegs in Europa entkommen war, in der dortigen Stahlfabrik
gearbeitet hatte. Er dachte an seine Mutter, die Klavierunterricht gab.
Er wusste, dass er äußerlich nach seinem Vater geschlagen war, und
hoffte, den scharfen Verstand seiner intelligenten Mutter geerbt zu
haben.
Er hatte bereits begonnen, an der Kent State University in
Ohio in Chemie zu promovieren, brach dann aber ab und studierte
stattdessen Jura. Nach dem Examen beschloss er, sich auf
Schadenersatzklagen bei Chemieunfällen zu spezialisieren, weil er mit
dieser Materie bestens vertraut war.
Er griff nach dem Telefon und rief Juan Ramos an.
»Hola, Juan. ¿ Como está ?«, fragte er in holprigem Spanisch.
» Muy bien , señor
Licenciado . Ich habe einen neuen Job. Da
stinkt es nicht wie auf der Müllkippe.«
»Sie haben doch sicher schon gehört, was dort passiert ist,
oder?«
»¿ Que pasó ?«
»Der Boss, Hagopian, wurde heute Morgen am Eingangstor tot
aufgefunden. Er wurde ermordet.«
»Santa María. Que Dios lo tenga en su Santo Seno . Wer
könnte das getan haben?«
»Die Polizei ist gerade dabei, das herauszufinden. Sie werden
bestimmt zu Ihnen kommen, Juan, und Ihnen eine Menge Fragen stellen.
Wenn die Polizei anrückt, erklären Sie ihnen einfach, dass Sie kein
Wort sagen, solange Ihr Anwalt nicht dabei ist. Haben Sie verstanden?«
» Sí , sí «, antwortete der Mann beunruhigt.
»Wo sind Miguel und José?«
»Sie sind
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