Gift
da dies den Eindruck erweckt hätte, dass ihm die bereits
ausgewählten Geschworenen nicht passten, und deshalb blätterte er
weiter hastig in seinen Unterlagen. Nach außen hin wirkte Deadeye zwar
wie die Ruhe in Person, aber innerlich kochte er. Er hatte sich
austricksen lassen. Sein Plan war gewesen, dass Janak von seiner
letzten Ablehnungsmöglichkeit Gebrauch machte und dadurch er, Deadeye,
ungehindert eine seiner Marionetten auf die Geschworenenbank hieven
könnte. Aber das ging jetzt nicht mehr; das Risiko wäre zu groß. Er
stand auf. »Auch das Volk ist mit der Auswahl der Geschworenen
einverstanden, Euer Ehren.«
Janak und Asquith sahen sich lächelnd an. Diese Runde ging an
sie.
Der Richter ließ den Gerichtsdiener die Geschworenen
vereidigen und rief die Anwälte zu sich. »Brauchen wir Ersatzleute,
meine Herren?«
»Ideal wären mindestens zwei«, schlug Janak vor.
»Ganz wie Sie wollen.« Deadeye, der inzwischen kaum mehr an
sich halten konnte, biss sich auf die Unterlippe und starrte finster an
die Wand.
Sie wählten zwei Ersatzleute aus, und nachdem auch sie
vereidigt waren, wurden die vierzehn Geschworenen entlassen.
Inzwischen war es Viertel nach fünf geworden. Janak und
Asquith packten ihre Sachen zusammen und verließen den Gerichtssaal.
Samuel wartete auf dem Flur auf sie. »Glückwunsch. Deadeye hat gerade
noch einen jungen Anwalt furchtbar zur Schnecke gemacht. Er war
stinksauer, weil er den Eindruck hatte, dass du Insiderinformationen
über die Geschworenen hast. Er hat die ganze Zeit auf eine Gelegenheit
gelauert, deinen Vorteil zunichtezumachen, aber weil du von deiner
letzten Ablehnungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hast, ist ihm das
nicht gelungen. Er hat seinen Assistenten immer wieder gefragt, wie du
das hinkriegen konntest, und der arme Kerl konnte ihm nur immer wieder
versichern, dass er es nicht wüsste.«
»Unser Netzwerk hat bestens funktioniert«, sagte Janak.
»Allerdings«, bestätigte Asquith grinsend. »Nur zwei aufrechte
Bürger wie Mae Ming und Donald. Mehr war nicht nötig.«
»In meinem Artikel kann ich das natürlich nicht erwähnen. Ich
werde lediglich schreiben, dass die Geschworenen ausgewählt wurden und
der Prozess am Montag fortgeführt wird.«
»Jetzt kommt der wirklich schwierige Teil«, sagte Janak.
»Deadeye ist eine verdammt harte Nuss.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass er uns mehr Ärger machen
wird als bisher. Wir müssen nur auf seine Zeugen gut vorbereitet sein«,
sagte Asquith, der sichtlich stolz war, dass er die ganze Woche von
Panikattacken verschont geblieben war.
Janak blickte sich im Gerichtssaal um. Er
unterschied sich nicht nennenswert von den vielen anderen, die er in
seiner Laufbahn als Anwalt von innen zu sehen bekommen hatte. Die Bänke
und die Wandvertäfelung waren aus Nussbaumholz. Von der Decke hingen
verstaubte weiße Kugellampen. Die Richterbank war von jeweils einer
verblichenen Fahne der Vereinigten Staaten und des Staates Kaliforniens
flankiert.
Janak hatte schlecht geschlafen und einen metallischen
Geschmack im Mund. Er war in letzter Zeit sehr nervös gewesen, aber
heute Morgen war er in einer seltsam ruhigen Stimmung und voller
Zuversicht. Er wusste, dass er sich optimal auf den Prozess vorbereitet
hatte.
Der Richter betrat den Saal und nahm auf der Richterbank
Platz. Janak konnte die gespannte Erwartung der Geschworenen ebenso
deutlich spüren wie die bange Beklemmung seiner Mandanten, die neben
ihm und Asquith auf der Anklagebank saßen.
Deadeye, in seinem besten schwarzen Anzug, die Stiefel auf
Hochglanz poliert, stand auf, um sein Eröffnungsplädoyer zu halten. Er
stellte die Angeklagten als bösartige Mörder hin und zählte die Beweise
auf, die sie mit der Tat in Verbindung brachten. Als Motiv für ihre
verabscheuungswürdige Tat führte er Rache an, weil sie der irrigen
Meinung gewesen seien, Mr. Hagopian trage die Schuld an dem ihren
Familien entstandenen Schaden. Des weiteren ging er in aller
Ausführlichkeit auf die Schlinge um den Hals des Opfers ein und
erklärte, dass nur Juan Ramos diesen Knoten habe knüpfen können. Er
wies die Geschworenen darauf hin, dass die Angeklagten Hagopian
zunächst mit ebenjenen Chemikalien zu töten versucht hatten, die ihrer
Auffassung nach ihre Kinder vergiftet hatten, und machte im Anschluss
daran geltend, dass sämtliche Beweise, die er im Verlauf des Prozesses
vorlegen würde, keinen anderen Schluss zuließen, als dass die
Angeklagten den Mord in
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