Gift
endlich zu, dass du deinen
Hintern hochkriegst und in die Gänge kommst. Und falls du Blanche sehen
möchtest, musst du dich damit noch bis nächste Woche gedulden.«
»Ich komme morgen um halb zehn bei dir vorbei und nehme dich
mit zu Mr. Song.«
»Damit er mir genauso hilft, wie er dir geholfen hat?«, fragte
Melba betont unschuldig und richtete dabei den Blick auf die
Brandlöcher in Samuels Sportsakko.
Als Melba und Samuel schließlich in Mr.
Songs Kräuterladen eintrafen, wurden sie bereits von der Nichte des
alten Chinesen erwartet.
»Hallo, Mr. Hamilton«, begrüßte sie das Mädchen, das in seiner
Schuluniform hinter dem Ladentisch stand und lächelnd seine Hasenzähne
bleckte. »Ihre Artikel in der chinesischen Presse sind richtig klasse.
Aber wann werden Sie endlich den wahren Mörder dieses
Müllplatzbesitzers finden, wo doch diese Mexikaner jetzt freigesprochen
wurden?«
»Das werde ich heute gleich angehen. Hast du denn schon
irgendwelche Ideen?« Samuel war erstaunt, wie viel das Mädchen wusste.
»Da müssen Sie meinen ehrenwerten Onkel fragen. Ich weiß nur,
was in der Zeitung steht.«
Samuel blieb vor dem schwarzlackierten Ladentisch stehen und
lächelte. »Wir haben heute einen Termin bei deinem Onkel.«
»Ja, ich weiß. Er hat mich gebeten, Sie zu ihm zu bringen.«
Damit drehte sie sich um und führte Samuel und Melba durch eine Tür mit
einem blauen Perlenvorhang in ein schwach beleuchtetes Zimmer, in dem
Mr. Song sie bereits erwartete. Der alte Albino legte seine weißen
Hände auf dem Bauch übereinander und verneigte sich, dann deutete er
auf einen Stuhl neben einem chinesischen Wandschirm, auf den eine Lampe
gerichtet war. Melba legte ihren Mantel ab, tupfte ihr bläulich weißes
Haar hoch und setzte sich.
Mr. Song unterhielt sich kurz mit seiner Nichte.
»Mein Onkel sagt, die Dame atmet sehr geräuschvoll, und das
ist nicht gut«, übersetzte das Mädchen. »Er will wissen, wie lange das
schon so ist.«
»Ungefähr drei Monate«, antwortete Melba.
»Mr. Song möchte wissen, warum Sie nicht aufgehört haben zu
rauchen, als die Beschwerden einsetzten.«
»Sag ihm, dass ich deswegen hier bin«, knurrte Melba.
Mr. Song griff nach einem Pendel, und seine Nichte übersetzte
für Melba, sie solle es, ohne den Kopf zu bewegen, mit den Augen
verfolgen, wenn Mr. Song es vor ihr hin- und herschwingen ließ. Dann
hielt er das Pendel vor Melbas Gesicht und setzte es in Bewegung.
Nachdem er Melba etwa dreißig Sekunden beobachtet hatte, brach er
kopfschüttelnd ab und redete rasch auf das Mädchen ein.
»Mein ehrenwerter Onkel sagt, dass sich diese Dame nicht für
eine Hypnosebehandlung eignet. Sie hat einen zu starken Willen. Sie
kann nicht loslassen. Die Sitzung ist beendet.«
Melba zog eine Augenbraue hoch und grinste.
»Moment, Moment«, sagte Samuel und sah Mr. Song fast
flehentlich an. »Aber irgendetwas können Sie doch sicher für sie tun.«
Melba, die nur Samuel zuliebe mitgekommen war, seufzte
erleichtert. Sie war nicht im Geringsten enttäuscht oder gekränkt.
»Mr. Song wird ihr gegen die Verschleimung ein paar Kräuter
geben«, übersetzte das Mädchen. »Wenn sie die Medizin regelmäßig
einnimmt, müsste es ihr in zwei Wochen bessergehen. Wenn sie allerdings
weiter so viel raucht, wird sie bald nicht mehr atmen.«
»Sag deinem Onkel, dass dieses Schicksal uns allen beschieden
ist«, antwortete Melba störrisch. »Tote atmen nicht.«
Sie erhob sich von ihrem Stuhl, Samuel nahm sie am Arm und
führte sie in den Laden, wo sie am Ladentisch warteten. Wenig später
kam Mr. Song mit zwei kleinen Papiertüten nach. Er redete kurz auf
seine Nichte ein, worauf diese übersetzte: »In der einen Tüte ist
Ma-Huang, in der anderen Gui Zhi. Beide Heilpflanzen öffnen die oberen
Atemwege. Kochen Sie daraus einen Tee und trinken Sie ihn über den Tag
verteilt. Wenn sich Ihr Zustand bessert, kommen Sie in zwei Wochen
wieder her und holen sich frische Kräuter.«
»Wie viel kriegen Sie für die Kräuter?«, fragte Samuel.
»Drei Dollar und fünfzehn Cent«, sagte das Mädchen.
»Bekommen Freunde keinen Rabatt?«, fragte Melba.
Samuel stieß sie mit dem Ellbogen in die Seite, zahlte das
Geld und bedankte sich. »Könnte ich Mr. Song noch ein paar Fragen zu
meinem jüngsten Fall stellen?«
Die Nichte übersetzte, und der alte Chinese nickte.
»Worum es dabei geht, wissen Sie ja bereits«, begann Samuel.
»Offensichtlich verfolgen Sie die Vorgänge in der chinesischen Presse
sehr
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