Giftpilz
Salinensee. Die
beiden hätten als Oberärzte ziemlich gut harmoniert. Fachwissen, Ehrgeiz,
Standesdünkel.
»Als männlicher Pfleger warst du für beide ein Niemand«, erinnerte
er sich. »Ein Versager.« Dann lächelte er ironisch: »Und als Betriebsrat ein
Kommunist. Mindestens. Krieg und Walger waren gute Freunde, soweit ich mich
erinnern kann. Haben zusammen an der Uni Freiburg geforscht, sich auch ungefähr
gleichzeitig habilitiert.«
»Und dann?«
»Aus Freundschaft wurde Wettbewerb, Rivalität – so ist das halt in
diesen Kreisen. Krieg war meist einen klitzekleinen Schritt voraus«, erinnerte
sich Gerhard. »Ein paar Publikationen mehr, ein bisschen teurere Autos. Er
bekam auch als Erster den Zuschlag für eine der Oberarztstellen hier an der Soleklinik.«
»Und dann?«, fragte Riesle gespannt.
»Sollte Krieg hier einer der Chefärzte werden«, sagte Gerhard.
»Aber es wurde Walger?«, fragte Hummel.
»Keiner der beiden wurde es«, meinte Gerhard. »Es gab nämlich
Gerüchte, dass die zwei eine gemeinsame Forschungsarbeit … na, ja.«
»Geschönt hätten?«, schlug Riesle vor und erntete ein Nicken.
»Nennen wir’s vielleicht sogar gefälscht«, verschärfte Gerhard.
»Endgültig nachgewiesen werden konnte es aber nicht. Jedenfalls schienen die
beiden Herren für eine Leitungsposition in dieser Klinik nicht mehr infrage zu
kommen.«
Hubertus war etwas enttäuscht, mit welcher Regelmäßigkeit ihn seine
Menschenkenntnis im Stich ließ. Professor Krieg hätte er von einem solchen
Verdacht eigentlich jederzeit freigesprochen. Gerhard wirkte allerdings überzeugend,
kein blinder Klassenhass-Gewerkschafter. Außerdem hätte er bis gestern auch
Elke von dem Verdacht freigesprochen, sich mit ihm in einem Romantik-Hotel zu
verabreden, um Carolin dorthin zu locken und so eine Beziehungskrise auslösen
zu können.
»Eine Fälschung haben sie aber nie zugegeben?«, fragte Hummel.
»Jeder hat im Zuständigkeitsbereich des anderen Unregelmäßigkeiten
gesehen«, sagte Gerhard, während Hubertus gegen sein Sodbrennen Kamillentee
orderte. »Ab da war jedenfalls Schluss mit lustig – und die Monate danach haben
die beiden sich bekämpft. War mitunter richtig peinlich in den Versammlungen.«
»Ist einer der beiden mal in eine Erpressung verwickelt gewesen?«,
erkundigte sich Hummel.
Gerhard blickte ihn verwundert an und schüttelte dann den Kopf. »Ich
weiß nur noch, dass sich anschließend beide auf die Stelle des Chefarztes in
der Königsfelder Tannenklinik beworben haben.«
Keine Erpressung? Hummel war fast etwas enttäuscht. Riesle hatte es
schneller begriffen, aber der hatte ja auch nur eine Mittagessensportion inne,
weshalb sein Denkapparat besser funktionierte. »Walger wollte also auch
Chefarzt der Tannenklinik werden?«
Gerhard nickte. »Weiß ich sicher. Aber es wurde …«
»Krieg«, war Hubertus nun wieder auf dem Laufenden.
»Aber wieso sollte sich Walger jetzt rächen? Das ist doch ein paar
Jahre her – und der hat doch jetzt einen sehr guten Job«, wandte Klaus ein.
»Der ist in Höchenschwand, in der Fernblickklinik«, sagte Gerhard –
in Betriebsratskreisen kannte man sich offensichtlich aus.
Riesle und Hummel nickten, Tobi drehte sich eine Zigarette und
machte Anstalten, sich diese auch anzuzünden, bis eine Cafeteria-Angestellte
das unterband.
»Das ist doch ein Aufstieg«, meinte Riesle.
»Aus gewerkschaftlicher Sicht nicht. Gibt immer viele Beschwerden in
solchen seit Neuestem auf Luxus getrimmten Privatkliniken. Die Mitarbeiter
werden ausgebeutet – da macht ihr euch keinen Begriff! Und so, wie die geklotzt
haben, ist das kein Wunder. Die Fernblickklinik hat viel investiert. Die
Anteilseigner wollen schnell Rendite sehen. Die Klinik steht gehörig unter
Druck. Braucht eine hohe Patientenauslastung. Und wenn ich’s recht mitbekommen
habe, stehen bereits zugesagte öffentliche Fördergelder wieder auf der Kippe,
weil andere Kliniken dagegen Klage eingereicht haben. Also in Walgers Haut
möchte ich eigentlich nicht stecken.«
Riesle sah eine gute Gelegenheit, es dem Fernblickchefarzt
heimzuzahlen, denn der hatte sich ja schließlich über ihn beschwert. »Da müssen
wir unbedingt intensiver drüber reden«, meinte er.
»Kollegen, ich hab euch jetzt schon einiges erzählt – und ihr habt
mir Informantenschutz zugesichert«, meldete sich Gerhard. »Jetzt erzählt mir
doch mal, was los ist.«
Sie brachten ihn grob auf den aktuellen Stand.
Hummel überlegte derweil, gar
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