Giftspur
und die Fakten kombinieren.
Rahnenfeldt trug einen blauen Stoffmantel mit großen, runden Knöpfen, die in zwei Reihen verliefen und oben in einen ausladenden Kragen führten. Darunter ein Rollkragenpullover und eine Cordjeans, es fehlte nur noch eine Kapitänsmütze zum maritimen Look. Er war unrasiert, und hinter ihm stand ein klobiger Lederkoffer mit abgestoßenen Kanten.
»Sie hier?«, wunderte er sich.
»Wenn’s recht ist«, erwiderte Angersbach mit einem unverbindlichen Lächeln und stellte kurz Sabine vor. Diese nickte und sah sich einem kurzen, skeptischen Blick des Heilpraktikers ausgesetzt, bevor er fragte: »Heute mit Verstärkung. Was hat das zu bedeuten?«
»Haben Sie vor zu verreisen?«
»Ich besuche ein Seminar«, nickte Rahnenfeldt, »auch wenn es zugegeben etwas kurzfristig kommt. Aber bei diesem Wetter ins Allgäu zu reisen ist wohl nicht das Schlechteste.«
»Hm. Was haben Sie in dem Koffer?«
Rahnenfeldt drehte sich nervös um, als wolle er sich vergewissern, dass das Gepäckstück noch an Ort und Stelle stand, und fuhr sich anschließend über den Nacken.
»Unterlagen, Papierkram, Diktiergerät. Medizinkram, was man als Heilpraktiker auf einer Tagung unter Kollegen eben so braucht.« Er zwinkerte, erlangte nach und nach seine Selbstsicherheit zurück. Bevor Angersbach weitersprechen konnte, sagte er: »Ich müsste dann auch zum Bahnhof, könnten wir also bitte zur Sache kommen?«
»Sie haben meine Frage nicht ausreichend beantwortet«, sagte Angersbach und schob sich demonstrativ in die Mitte der Tür. »Der Koffer. Ich würde gerne einen Blick hineinwerfen.«
»Und Sie haben einen entsprechenden Beschluss dabei?« Rahnenfeldts Augen funkelten mit einer plötzlichen Offensivität, die Sabine nicht erwartet hätte. Sie sah sich um, suchte den von Angersbach beschriebenen Garderobenschrank. Leider waren die Türen diesmal zur Gänze verschlossen, keine Chance, die Motorradmontur zu sehen. Wenn Rahnenfeldt am Steuer des Quads gesessen und sich seiner Kleidung unterwegs entledigt hatte, dürfte ja nun keine mehr im Inneren hängen.
»Eine richterliche Anordnung?«, wiederholte Angersbach betont langsam. »So etwas habe ich bei unserem letzten Treffen doch auch nicht gebraucht.«
»Da wirkten Sie auch weniger … feindselig.« Rahnenfeldt verschränkte die Arme vor der Brust. Schweiß trat ihm auf die Stirn und lief unterhalb der Koteletten nach unten, was jedoch auch von der Heizungsluft und seiner dicken Jacke herrühren mochte.
»Und Sie weniger abweisend«, konterte der Kommissar.
»Was ist mit dem Garderobenschrank?«, warf Sabine ein und erntete einen weiteren kritischen Blick.
»Ich möchte jetzt
gehen
«, beharrte Rahnenfeldt. »Entweder Sie verhaften mich, dann rufe ich meinen Anwalt an, oder Sie lassen mich sofort gehen. Ich verwehre mich gegen polizeiliche Willkür!«
»Herr Rahnenfeldt, auf dieses Spiel lassen wir uns nicht ein«, erwiderte Angersbach harsch. »Gefahr im Verzug, schon mal gehört? Wir haben auch unsere Tricks. Jedenfalls werden wir nicht gehen, bevor wir nicht einen Blick in Ihre Garderobe und Ihr Gepäck geworfen haben.«
Der Heilpraktiker riss erbost die Hände nach oben und stieß lautstark Atemluft durch die Nase wie ein angriffslustiger Stier. Seine Stimme bebte, als er ein gepresstes »Tun Sie’s halt« hervorbrachte.
Sofort trat Sabine an den Schrank, während Angersbach sich der Ledertasche widmete. Ihre Blicke trafen sich nur Sekunden später, mit identischem Gesichtsausdruck.
Lederkleidung und Helm waren an ihrem Platz.
Im Koffer steckte eine silbrige Thermoskanne, ein dicker Schnellhefter, dessen knittrige Seiten eine Menge Eselsohren aufwiesen, und allerhand Schreibutensilien. Gepolstert war das Ganze mit dünnen Lederhandschuhen und einem Schal.
Was sich nicht darin befand, war Geld.
Wie nicht anders zu erwarten, zeigte sich Konrad Möbs nur wenig erfreut über die Stippvisite bei Reiner Rahnenfeldt.
»Sie verhaften
einen
und springen sofort zum
Nächsten?
«, japste er panisch. Vermutlich fühlte er bereits eine ganze Klageflut über sich hereinbrechen, doch Ralph Angersbach konnte ihn beruhigen.
»Herr Rahnenfeldt wird keine Schritte unternehmen«, versicherte er seinem Chef. »Wir haben ihn zwar ziemlich überrumpelt, aber er zeigte sich letzten Endes einsichtig.«
»Einsichtig?«, schmetterte Möbs zurück. »Das war Rechtsbeugung. Von Ihrem Trip zu Elsass ganz zu schweigen. Solche Alleingänge dulde ich nicht, haben wir uns
Weitere Kostenlose Bücher