Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
auf Elenas Gesicht und musste ein stolzes Lächeln unterdrücken. Das in kriegerischem Pragmatismus nach hinten gebundene Haar, ihr vor Schweiß glänzender Körper, die beweglichen, anmutigen Muskeln – das war seine Gemahlin. »Es war ein taktischer Fehler « , sagte er in dem Bewusstsein, dass sie das Potenzial hatte, mit diesen Messern unschlagbar zu werden. Sie brauchte nur etwas mehr Zeit, um in ihre Unsterblichkeit hineinzuwachsen – und etwas mehr qualifizierten Unterricht.
»Du bist ein Risiko eingegangen « , zählte er auf, »und hast auf der linken Seite die Deckung vernachlässigt, weil du dachtest, ich könnte mich nicht so schnell drehen. Aber du darfst die Fähigkeiten anderer Engel – auch die von älteren Vampiren – nie nach deinen eigenen beurteilen .« Ihre Geburt als Engel lag erst ein knappes halbes Jahr zurück. Die Tatsache, dass sie sich bereits blendend schlug und ihre Jägerinneninstinkte nutzen konnte, war kein Grund, sie zu schonen. Wenn überhaupt, musste er sie noch härter rannehmen.
Sie hob die Klingen. »Noch mal .«
»Los .«
Das Krachen von Stahl, das verschwitzte, schlüpfrige Gleiten der Körper, das wilde Leben in all dem, beschwingte Raphael. Er trainierte ab und zu mit seinen Sieben, doch das waren stets technische Übungen, um körperlich in Form zu bleiben. Elena kämpfte, als wäre es ein Teil von ihr, und ihre Freude daran übertrug sich auf ihn, bis sie unter seiner Haut pulsierte.
Dann wird sie dich töten. Sie wird dich zu einem Sterblichen machen.
Lijuan hatte keine Ahnung, dachte er, als er einer Schwertklinge auswich, sein Messer blitzschnell unter den Träger von Elenas Tanktop schob und ihn mit einer einzigen Bewegung durchtrennte. Er mochte langsamer heilen und leichter zu verletzen sein, aber er war auf eine Weise lebendig, wie Lijuan es nie gewesen war und niemals sein würde – denn sie hatte den Menschen getötet, der einst, vor langer Zeit, gedroht hatte, sie zu einer Sterblichen zu machen.
Elena ignorierte den zerschnittenen Träger, holte aus und … warf beide Messer. Überrumpelt beugte er sich weit zurück, bis seine Flügel ins Gras stießen – und eine Klinge sauste nur wenige Zentimeter an seinem Gesicht vorbei. Das andere ritzte ihm die Wange auf, bevor es sich hinter ihm in die Erde bohrte.
»Oh nein, Raphael !« Elena hielt sein Gesicht mit beiden Händen umfangen, bevor er sie ermahnen konnte, dass es keine gute Idee war, die Waffen wegzuwerfen. »Ich dachte, du kannst nicht verletzt werden. Das ist doch der einzige Grund, aus dem wir mit echten Messern üben .«
Zum ersten Mal seit langer Zeit verschlug es ihm die Sprache. Nicht aufgrund ihrer Worte, sondern der Zartheit ihrer Hände, der Sorge in ihren Augen wegen. Er war ein Erzengel. Er hatte viel, viel schlimmere Verletzungen erlitten und sie mit einem Schulterzucken abgetan. Aber damals hatte es auch diese Frau mit den sturmgrauen Augen noch nicht gegeben, deren Haut wie vom Sonnenuntergang geküsst war und deretwegen er es gewagt hatte, angreifbar zu werden.
»Hörst du mich? Ich hätte dich verletzen können .« Wieder.
Als er das ungesagte Wort hörte, schüttelte er seine Benommenheit ab. »Ich hätte die Messer mit meiner Kraft ablenken können. Aber dann wäre das hier noch nicht einmal mehr ansatzweise ein fairer Kampf .« Es war nicht vergleichbar mit damals, als du auf mich geschossen hast, Elena. In jener Nacht war ich eine Gefahr für dich.
Statt einer Antwort drehte sie sein Gesicht ins Licht und stellte sich auf die Zehenspitzen, um den Einschnitt zu untersuchen. »Er ist viel tiefer als die Mückenstiche, die du mir zufügst, wenn ich einen Fehler mache .«
Er nahm beide Messer in eine Hand und umfasste ihr Kinn. »Das ist für mich weniger als ein Mückenstich. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass du dir einen anderen Gemahl suchen musst .«
»Mach keine Witze darüber .« Doch sie beruhigte sich und legte die Hände in die Hüften. »Also, wie war ich ?«
»Du hast deine Waffen weggeworfen. Das hat dir Galen bestimmt nicht beigebracht .«
»Du hattest mich fast. Ich wollte dich damit ablenken, damit ich meine Messer ziehen konnte – oder in einem echten Kampf mein Gewehr .« Sie ließ ihren Blick zu seinem linken Flügel wandern, um deutlich zu machen, dass sie die Waffe meinte, die Engelsflügel außer Gefecht setzte.
Es gefiel Raphael nicht, dass er sie gezwungen hatte, sich mit solcher Gewalt zu verteidigen, doch er bereute nicht die Narbe
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