Girl
für einen Ständer gereicht, und so, wie die Fahrer der vorbeifahrenden Wagen rüber starrten, wunderte es mich, dass es keine Massenkarambolage gab. Gesetzt den Fall, sie ginge an einer Baustelle vorbei, müsste man Fangnetze aufspannen, weil die Jungs wie die Fliegen von den Gerüsten purzeln würden.
Für die anderen Möchtegern-Frauen im Kurs ist es schon hart, mit ihr konkurrieren zu müssen. Kein Wunder also, dass sie bräsige Gesichter zogen.
Mir gegenüber hat keine eine bösartige oder gehässige Bemerkung fallengelassen, aber die Art, wie sie mit mir umgehen, ist in gewisser Weise unterkühlt. Ich spüre, dass ich sie irgendwie beleidigt habe. Nur womit?
»Ich kapier’s einfach nicht, hab’ ich was falsch gemacht?« sagte ich zu Mel, als wir in Stamford Brook auf dem Bahnsteig standen.
»Haste nicht, Baby, aber du hast was.«
»Was meinst du?«
»Die kleine weiche Muschi zwischen deinen jungfräulichen Beinchen. In unserer Welt, Honey, ist das der größte Luxus, das größte Privileg, ein Geschenk des Himmels.
Vergiss nicht, die alten Schachteln im Kurs warten seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten auf das, was da gerade läuft. Die haben alles aufgegeben, ihren letzten Penny geopfert, monatelang auf einen Termin gewartet und die ganze Zeit dafür gebetet, zur Operation zugelassen zu werden, dafür gebetet, nicht erst in zig Jahren unters Messer zu kommen. Und dann kommst du und hast all das bekommen, worauf sie ihr Leben lang warten, ohne es überhaupt gewollt zu haben. Verdammt, es wundert dich, dass die stinksauer auf dich sind?«
»Kann es wohl nicht.« Ich dachte an Charmaine und ihre Verzweiflung darüber, durch mich wieder ganz ans Ende der Liste gerutscht zu sein. Die gleiche Operation, für die all diese Frauen ihre letzten Kröten hergeben müssten, hatte mich reich gemacht und würde mich noch reicher machen, wenn erst der Gerichtsprozess gelaufen war.
»Komisch irgendwie. Ich werde St. Swithin’s auf einige hunderttausend Pfund verklagen, weil sie etwas gemacht haben, für das Kitty, Estelle und Doris ihren rechten Arm hergeben würden.«
»Ich auch, Baby«, sagte Melanie, »ich auch …«
»… und deshalb sind sie eifersüchtig. Mit dem Ergebnis, dass die Leute, die eigentlich das größte Verständnis für mich haben müssten, weil sie genau das gleiche durchmachen, fast schon auf Kriegsfuß mit mir stehen. Ich kann’s verstehen. Ich bin ihnen nicht böse. Aber ich hätte schon so etwas wie, na ja, Solidarität oder so ähnlich erwartet.«
»Hör zu. Einer der ganz wichtigen Unterschiede als Frau ist, dass alle, die mit dir in einem Boot sitzen, nicht weniger zänkisch und streitsüchtig sind als die, die nicht mit im Boot sind.
Nimm mal die Schwulen. Das sind die Arrogantesten uns gegenüber. Klar tragen manche Frauenklamotten, aber sie wollen bei Gott keine Frauen sein, viele hassen Frauen sogar. Bei den Transvestiten das gleiche. Verkleiden sich gern als Frauen, aber oh, wie beruhigend zu wissen, dass da unter ihrem Petticoat noch ein Schwanz steckt. Nur wir wollen unseren Schwanz loswerden, also auch hier kein Mitgefühl.«
Die U-Bahn kam, und wir stiegen ein, von den Männern mit Glupschaugen begafft, während die Frauen uns gehässige Blicke zuwarfen. Melanie blickte geradewegs zurück, und ich wusste, was sie dabei dachte. »Honey, du wärst stolz, wenn du so was zum Vorzeigen hättest.«
Als die Bahn sich in Bewegung setzte, kam Mel zum Abschluss ihrer kleinen Einführung in eine Unterwelt, von deren Existenz ich nichts geahnt hatte. »Du musst wissen, es gibt da jede Menge Snobismus, eine Art Hackordnung, innerhalb der Welt der Transsexuellen.
Da gibt es die Anfänger, bei denen immer noch der Bart sprießt und die ständig für Männer gehalten werden, die stehen ganz unten. Über denen stehen die, die bereits ein paar Jahre in ihrer neuen Rolle leben, schon eher als Frauen respektiert werden, besonders dann, wenn sie Tittenimplantate haben, so wie meine zwei hübschen Klößchen hier. Und dann, ganz oben, steht die Muschimente … all die Babes, die ihren Schnitt hinter sich haben. Das sind dann die Bienenköniginnen.«
»Und wo gehöre ich hin?« fragte ich. »Ich bin gleichzeitig ganz unten und ganz oben.«
»Yeah!« Melanie lachte. »Kein Wunder, dass du durcheinander bist.«
Wie sich herausstellte, mussten wir beide auf die Südseite der Themse und konnten somit längere Zeit plaudern. Es hätte mich eigentlich nicht wundern dürfen, dass wir im
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