GK0025 - Das Leichenhaus der Lady L.
nicht mehr zu einer Gegenwehr. Unaufhaltsam wurde er von der weißen Frau mitgezogen.
Bob Elkham merkte nicht, daß sein Fuß in das offene Loch trat. Er hatte die Besinnung verloren.
Erst der harte Aufprall brachte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück.
Stöhnend wälzte er sich auf den Rücken und sah noch soeben, wie sich der Stein über ihm schloß.
Erst jetzt begann Bob Elkham zu schreien.
Es nutzte ihm nichts. Niemand konnte ihn hören.
Und als er die gräßlichen Knochenhände an seinem Hals spürte, wußte er, daß der Tod gekommen war…
***
John Sinclair hielt sich gerade in Konstabler Sandfords Dienstzimmer auf, als das schwarze Telefon auf dem Schreibtisch anschlug.
Sandford meldete sich und hörte einige Minuten schweigend zu.
Als er den Hörer danach auf die Gabel legte, hatte sein Gesicht die Farbe eines Leichentuchs angenommen.
»Was ist geschehen?« fragte John.
»Der Hausmeister ist verschwunden.«
»Der vom Internat?«
»Ja. Er ist zum Mittagessen nicht erschienen.«
John lächelte. »Und so etwas ist ein Grund für die Leute, gleich die Polizei zu alarmieren?«
»Eigentlich nicht, Inspektor. Aber die Köchin, die angerufen hat, sagte mir, daß Bob Elkham um elf Uhr, nachdem er in der Kirche fertig war, bei ihr vorbeikommen wollte, um in die Stadt zu fahren und Lebensmittel einzukaufen.«
»Er wird sich verspätet haben.«
Der Konstabler schüttelte den Kopf. »Aber nicht Bob Elkham. Das ist noch nie vorgekommen. Und deshalb kann ich die Reaktion der Köchin durchaus verstehen. Ich fahre mal zum Internat, Inspektor.«
»Und ich komme mit«, sagte John.
»Gut.« Der Konstabler stand auf. »Sollen wir meinen Wagen nehmen, Inspektor?«
»Nein. Wir fahren lieber getrennt. Man braucht uns nicht unbedingt zusammen zu sehen. Was sich hinterher ergibt, warten wir mal ab.«
Die beiden Männer verließen das Office.
20 Minuten später stoppten sie vor dem Internat. Die Köchin kam ihnen schon entgegengelaufen. Hastig redete sie auf Sandford ein.
»Nun beruhige dich mal, Emmy«, hörte John den Konstabler sagen. »Es wird sich schon alles als harmlos herausstellen.«
Emmy, eine schwergewichtige Person mit einem Haarkranz auf dem Kopf, ließ sich jedoch nicht beirren. »So etwas gibt’s bei Bob nicht. Er hat sich noch nie verspätet. Das ist ganz unmöglich.«
Konstabler Sandford zuckte resignierend die Achseln und warf John einen hilfesuchenden Blick zu.
Im gleichen Augenblick schrillte die Schulklingel. Der Unterricht war beendet. Gleich würden die Girls bestimmt ins Freie stürmen und zu ihren Zimmern laufen, um sich nachher im Speisesaal zum Mittagessen wieder einzufinden.
»Gehen wir in die Küche«, sagte er zu Emmy.
»Nein, nicht in die Küche. In die Kapelle müssen wir. Da war Bob zuletzt. Allein habe ich mich nicht hineingetraut.«
»Also gut«, stimmte der Konstabler zu. John Sinclair schloß sich ihnen an.
»Wer ist denn dieser Mann?«, fragte Emmy mißtrauisch.
»Ich bin der neue Psychologielehrer an diesem Internat«, sagte John.
»Ach so. Aber weshalb will er mit?«
»Ich habe Mr. Sinclair im Dorf getroffen«, erwiderte der Konstabler. »Er ist mit mir hier hochgefahren. Außerdem sehen sechs Augen mehr als vier.«
Mit dieser Erklärung gab sich Emmy zufrieden.
Die Kapelle bot vielleicht 50 Menschen Platz. Sie besaß einen hellen Steinfußboden und schwere eichene Sitzbänke. Durch die schmalen, mit Figuren verzierten Fenster, fiel nur mattes Tageslicht. Es war still wie in einer Gruft.
»Bob war hier«, flüsterte Emmy plötzlich. »Er hat die Blumen und Kerzen ausgewechselt. Aber wo steckt er jetzt? In seiner Wohnung ist er ja nicht. Hoffentlich hat ihn nicht die weiße…« Emmy preßte erschrocken die Hand auf den Mund, als habe sie Angst, schon zu viel gesagt zu haben.
»Unsinn«, erwiderte der Konstabler und blickte sich um.
John Sinclair hatte sich von den beiden etwas abgesondert. Er ging zwischen den Sitzbänken herum und suchte auch vor allen Dingen den Boden ab.
»Wir gehen mal auf die andere Seite«, sagte der Konstabler.
»Gut«, erwiderte John.
Er sah sich inzwischen den Mittelgang an. Dadurch, daß nur wenig Licht in die Kapelle fiel, war kaum etwas zu erkennen. Und doch entdeckte John den dunkleren Fleck auf dem Steinfußboden.
Der Inspektor ging in die Knie und knipste sein Feuerzeug an.
Jetzt sah er es genauer.
Der Fleck war ein Teil eines Fußabdrucks. Man konnte sogar noch die geriffelte Sohle erkennen. Der Mann, der den Schuh
Weitere Kostenlose Bücher