GK0080 - Das Höllenheer
verneigte sich vor John und verschwand so schnell wie sie gekommen war. Der Inspektor zuckte die Achseln. Solche scheuen Mädchen gab es in London nicht. Er hatte wenigstens noch keine kennengelernt. John legte seine Sachen zurecht, die er nach dem Bad anziehen wollte, schnappte sich seinen Bademantel und schlenderte pfeifend ins Bad. Die Wanne allein war ein Gedicht. Oval in der Form bot sie bequem zwei Menschen Platz. Auf dem breiten Rand standen Flaschen mit erlesenen Badesalzen. In einem Behälter lagen mehrere Seifensorten, die Kräne waren vergoldet, und die Fliesen zeigten Motive aus der Geschichte des Landes. John wählte ein Badesalz mit einem besonders exotischen Namen. Er streute nur wenig in die Wanne und stellte die Flasche dann weg. Schon spürte er einen exotischen Duft in der Nase. Einen Duft, der ihn irgendwie erregte.
»Ja, ja, die Freuden des Lebens«, murmelte der Junggeselle John Sinclair, beugte sich vor und drehte den vergoldeten Kran nach links. In einem breiten Schwall schoß die Flüssigkeit aus dem Hahn. Im gleichen Augenblick schrie John Sinclair auf. Was aus dem Kran floß, war kein Wasser.
Es war Blut!
***
Sekundenlang umklammerte John Sinclair das eiskalte Entsetzen. Gedankenfetzen schossen ihm durch den Kopf. Das Mädchen, das hereingekommen war, und das Badetuch gebracht hatte – es mußte den Kran verhext haben. Zum Glück hatte sich John Sinclair wieder schnell gefangen. Das Blut war warm. Dämpfe zogen von der Oberfläche auf. Es roch widerlich. John zog den Stopfen aus dem Abfluß. Gurgelnd verschwand das Blut im Abfluß. Nur ein roter Film blieb zurück. Der Inspektor lief aus dem Badezimmer und streifte ein anderes Hemd über. Er mußte Mandra Korab benachrichtigen. So wie er die Lage sah, waren die Dämonen schon längst im Haus. Das Blut aus dem Kran hatte es bewiesen. John ging zur Tür. Da wurde sie aufgezogen. Das Mädchen, das ihm das Badetuch gebracht hatte, stand plötzlich im Zimmer. Doch diesmal hatte es sich verändert. Es trug zwar immer noch den Sari, doch das Gesicht war eine entstellte Fratze. Die Augen waren aus den Höhlen getreten, der Mund klaffte weit auf und ließ ein schimmerndes Gebiß sehen. In der Hand hielt das Mädchen etwas Seltsames. Einen gläsernen Dolch! Für einen Augenblick dachte John an die Wunde der Mary-Lou Nikuta. Sie hätte gut von solch einem Instrument stammen können. Unten gellte ein verzweifelter Schrei auf. Stimmen schrieen durcheinander, ein Schuß peitschte. Auch dort mußten die Dämonen angegriffen haben.
»Was willst du?« fragte John.
Das Mädchen gab keine Antwort. Langsam kam es auf den Inspektor zu, den Dolch stoßbereit erhoben. John sah keine menschliche Regung in ihren Augen. War sie bereits ein Dämon? Hielten sie die Gestalten der Unterwelt schon in den Krallen? John Sinclairs Haltung spannte sich. Es mußte ihm gelingen, das Mädchen zu überwältigen und sie zum Reden zu bringen. Der gläserne Dolch stieß vor.
Pfeilschnell hatte das Mädchen die Bewegung vollführt. John mußte sein ganzes Können aufbieten, um auszuweichen. Schon kam der nächste Angriff. Wie ein blitzender Strahl huschte der Dolch auf den Inspektor zu. Im letzten Augenblick tauchte John weg. Haarscharf fuhr der gläserne Dolch über seinen Kopf hinweg. Das Mädchen schrie vor Wut auf und taumelte. Augenblicklich packte John es an der Taille, hakte einen Fuß hinter sein rechtes Bein und brachte es zu Fall. Das Mädchen prallte auf den Rücken. Einen Herzschlag später war der Inspektor über ihm. Ein rascher Griff, und der Dolch fiel aus ihren Fingern. Das Mädchen kämpfte wie eine Besessene. Schlug, kratzte und biß.
Schließlich war es John leid. Er schnappte sich den Dolch und hielt die Spitze vor die Kehle des Mädchens. Sofort ging eine Veränderung mit ihr vor. Ein Ausdruck grenzenloser Angst legte sich auf ihr Gesicht. Sie stammelte Worte in einer John unbekannten Sprache. Der Inspektor fühlte, wie ein nie gekanntes Gefühl von ihm Besitz ergriff. Die Konturen des Mädchengesichtes verschwammen vor seinen Augen. Unwillkürlich lockerte er seinen Griff. Das Mädchen rollte zur Seite, sprang auf und rannte schreiend aus dem Zimmer. John wand sich auf dem Boden. Sein Inneres schien zu verbrennen. Der Dolch klebte wie angegossen zwischen seinen Fingern. Mit dem letzten Rest seines Verstandes wurde John klar, daß es der gläserne Dolch war, der die dämonischen Kräfte weiterleitete. John öffnete die Finger. Diese Bewegung kostete
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