GK0120 - Die Geisterhöhle
den Arm. »Ich werde sie dir sagen.« Er hatte sich dazu entschlossen, weil er sah, daß der alte Mann nicht mehr in der Lage sein würde zu antworten.
»Gut. Rede!«
Der Bürgermeister überlegte einen Augenblick. Er mußte sich erst an die alten Chroniken erinnern.
Die Geschichte damals war in den Kirchenbüchern aufgezeichnet worden, und praktisch jeder Einwohner hatte sie gelesen. Sechs mutige Männer waren ausgezogen und hatten den Dämon vernichtet. Jedenfalls hatten sie das geglaubt.
Sechs Männer, die auch Familien hatten. Diese Familien hatten wieder Kinder bekommen. Generationen hatten sich abgewechselt. Und heute?
Mit leiser Stimme zählte der Bürgermeister die Namen auf, die der Monsterrocker auf dem Podium jeweils wiederholte.
Und er hatte Glück.
Jeweils ein Mitglied der aufgerufenen Familien war im Zelt anwesend. Und es war immer ein Mann.
Die Männer mußten vortreten und sich neben dem Podium aufbauen.
Fünf waren es zum Schluß.
»Wo ist der sechste?« dröhnte die Stimme des Rockers.
Der Bürgermeister gab sich einen innerlichen Ruck. »Diese Familie ist schon vor langer Zeit ausgezogen.«
»Wohin?«
»Nach London.«
Der Rocker stieß ein bellendes Lachen aus. »Wenn es nicht stimmt, werden wir kommen und dich holen. Das gleiche geschieht, wenn du versuchst diesen Mann zu warnen. Ich hoffe, das hat jeder gehört. Wir werden uns den Verfluchten holen, damit der Dämon seine Rache vollenden kann. Sollte er jedoch in London nicht zu finden sein, werden es die Menschen in diesem Ort büßen. Wie lautet der Name des Mannes?«
»Conolly. Bill Conolly!«
***
Dave Lipton riß sich mit einer blitzschnellen Bewegung los. »Ich muß ins Zelt!« schrie er und wollte wegrennen.
Tom Tarras reagierte noch in der gleichen Sekunde. Aus dem Stand hechtete er Dave in den Rücken.
Gemeinsam gingen sie zu Boden. Dave wollte wieder hoch, doch Tarras’ Tricks war er nicht gewachsen.
»Hör zu!« keuchte der Rockerboss, der über dem Polizisten lag und dessen Handgelenke umklammert hielt. »Du kannst da nicht rein. Jetzt nicht. Das sind Monster, Dämonen. Die warten nur darauf, daß du kommst. Wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
»Aber meine Verlobte?« stöhnte Dave.
»Ihr passiert schon nichts. Die Kerle sind vielmehr auf mich scharf. Also reiß dich jetzt zusammen.«
Dave Lipton wußte überhaupt nicht, was er denken sollte. Alles war zu plötzlich gekommen. Wie ein Sturmwind war das Grauen über ihn hinweggefegt.
Tom ließ Dave Lipton los.
Ächzend erhob sich der junge Polizist. Dabei fiel sein Blick auf die beiden Kassierer, die am Boden lagen.
»Himmel, sie sind doch nicht…«
»Nein, sie leben noch«, erwiderte Tarras. »Sie haben Glück gehabt.«
Dave lehnte sich gegen die Zeltwand. »Aber was sollen wir denn jetzt tun? Ich bin selbst Polizist. Und ich…«
Tarras lachte auf. »Ein Bulle. Daß mir das auch noch passieren mußte. Hast du das gehört, Ginny?«
»Das ist doch jetzt egal, Tom. Bitte, laß uns von hier wegfahren.«
»Was meinst du, was ich vorhabe.« Tarras wandte sich wieder an Dave. »Hast du einen Wagen? Ich kann dich nicht mit auf meine Maschine nehmen.«
Der junge Polizist nickte. »Aber wo wollen wir hinfahren?«
»Am besten nach London. Da kann man sich wenigstens verstecken.«
»Aber sie werden uns nachkommen.«
»Laß nur. Ich kenne da einige Kameraden, die auch mit denen fertig werden. Ich bringe fünfzig Leute auf die Beine.«
Dave Lipton schüttelte den Kopf. »Ich glaube kaum, daß du es auf diese Art schaffst.«
»Hast du eine bessere Idee?«
»Ja. Sie ist mir gerade eingefallen. Es gibt beim Yard einen Mann, der Spezialist für solche Dinge ist. Er ist übrigens der jüngste Oberinspektor bei uns. Der ist genau richtig.«
»Bist du davon wirklich überzeugt?«
»Ja. Wenn es einer schaffen kann, dann nur John Sinclair.«
***
Die Drohung der Monster-Rocker lag wie eine unsichtbare Wolke über dem Festzelt.
Doch am schlimmsten waren die fünf Männer betroffen. Sie gehörten schon zur älteren Generation, kannten zwar die Geschichte ihrer Vorväter, wußten jedoch nicht, was jetzt mit ihnen geschehen sollte.
Und die Ungewißheit trieb die Angst in ihnen hoch. Man wich ihren Blicken aus, als schämten sich die Menschen wegen ihres schlechten Gewissens.
Tote hatte es zum Glück nicht gegeben.
Soccer, der Monster-Rocker auf dem Podium, sprang leichtfüßig die Stufen hinunter. Sein beinerner Schädel war starr auf die
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