GK0141 - Irrfahrt ins Jenseits
praktisch nur aus zwei Leuten, aus Powell und John Sinclair, dem jüngsten Oberinspektor des Yards. Unterstellt waren sie direkt dem Innenministerium, so daß bei brandeiligen Fällen Entscheidungen nicht erst über den Dienstweg liefen, sondern sofort getroffen werden konnten. Das hatte sich in der Vergangenheit schon mehr als einmal bewährt, und John Sinclair, der im Anfang oft von seinen »normalen« Kollegen belächelt worden war, hatte eine Aufklärungsquote zu verzeichnen, die an die Hundert-Prozent-Marke herankam.
Während Superintendent Powell wie eine Spinne im Netz die Fäden in der Hand hielt, war John Sinclair die Feuerwehr. Er wurde an den Brennpunkten der Gefahr eingesetzt und stand an vorderster Front im Kampf gegen Geister und Dämonen.
Dabei war John Sinclair kein finsterer Geisterbeschwörer oder Exorzist im landläufigen Sinne. Er stand durchaus mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen, doch er wußte, daß es Dinge in der Welt gab, die nicht so ohne weiteres mit dem menschlichen Verstand zu begreifen waren. In einem Zeitalter, das hochtechnisiert war, und in dem die Menschen nur noch an Computer und Zahlen glaubten, hatten finstere Mächte zu einem Generalangriff auf die Menschheit angesetzt. Das zeigte sich immer wieder, und es gab nur wenige, die die Zeichen lesen und deuten konnten.
Zu ihnen gehörte Oberinspektor Sinclair.
Er war noch relativ jung, hatte die Dreißig um drei Jahre überschritten, war Junggeselle und das, was man im landläufigen Sinne einen gut aussehenden Mann nennt. John war ziemlich groß, sportlich durchtrainiert, hatte blondes kurzgeschnittenes Haar und stets ein spöttisches Lächeln um seine Mundwinkel liegen. Auf der rechten Wange trug er eine fingerlange Narbe, ein Andenken an seinen bisher stärksten Gegner, Doktor Tod.
Als John an diesem Morgen sein Büro erreichte, wäre er fast rückwärts wieder hinausgelaufen. Eine Bullenhitze strahlte ihm entgegen. Die Heizung war voll aufgedreht worden. John drehte sie erst einmal ab und riß das Fenster auf. Dann bestellte er sich einen Kaffee und hatte kaum Platz genommen, als schon das Telefon schrillte.
Natürlich war es Superintendent Powell.
John konnte seinen Chef innerhalb von zwei Minuten beruhigen, daß nichts Außergewöhnliches vorgefallen war.
Dann kam die Post.
Neben den täglichen Routinemeldungen war es eigentlich nur ein Brief, der Johns Interesse besonders in Anspruch nahm.
Der Brief war direkt an ihn gerichtet. Der Absender hatte eine ungelenke, etwas steife Schrift und hieß Mike O’Shea.
Der Brieföffner schlitzte das Kuvert auf. John nahm die zwei Bogen heraus, faltete sie auseinander und begann zu lesen.
Er las den Brief einmal und noch ein zweites Mal. Seine Augen hatten sich zu Sicheln verengt, und John Sinclair ahnte, daß mit diesem Brief ein neuer Fall auf ihn zugekommen war.
Der Absender berichtete von einer Teufelskutsche, die in Vollmondnächten auftauchte, hinunter ins Dorf fuhr und dort Menschen gezwungen wurden, in die Kutsche zu steigen. Die Bedauernswerten waren nie wieder aufgetaucht. Entweder wurden sie getötet oder auf Rockford-Castle, der geheimnisvollen Burg, festgehalten. Diese Burg war verflucht und wurde von den Menschen gemieden.
Dieser Mike O’Shea hatte auch eine genaue Wegbeschreibung angegeben, damit John Sinclair ohne Schwierigkeiten das Dorf und die Burg erreichen konnte. Den Namen John Sinclair kannte er aus einem Zeitungsbericht. Eine schottische Tageszeitung hatte vor gut anderthalb Jahren über John Sinclairs Kampf mit dem Schädeljäger Cyrus Quant berichtet.
Der Oberinspektor ließ den Brief sinken. Für ihn stand jetzt schon fest, daß er nach Schottland, fahren würde. Sollten sich auf Rockford-Castle tatsächlich Dämonen eingenistet haben, so hatten sie jetzt einen unerbittlichen Gegner auf ihrer Fährte.
Diesmal rief John seinen Chef an.
Powell war sofort am Apparat. Er mußte das Telefon wohl auf der Bettdecke stehen haben.
John berichtete in Stichworten, und er bekam von Superintendent Powell sofort grünes Licht.
Fünf Minuten später hatte John Sinclair sein Büro schon verlassen. Er meldete sich bei Powells Sekretärin ab, setzte sich in seinen silbermetallicfarbenen Bentley und fuhr wieder nach Hause, um noch einige Sachen einzupacken.
John Sinclair ging nie unvorbereitet einen Fall an. Dämonen und Geister waren nicht mit normalen Waffen zu bekämpfen. Während man einen Werwolf zum Beispiel mit Silberkugeln töten konnte, gelang
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