GK0176 - Der Alptraum-Friedhof
ist…«
»Ein Satan ist er!« schrie Dieter König. »Er hat die Gewalt über Lebende und Tote. Wahrscheinlich zeichnet er dafür verantwortlich, daß der alte Leitner wieder auferstanden ist.«
»Du weißt, was du da sagst?« fragte Harry König leise.
»Genau, Vater. Ich habe oft mit Jurc zusammengesessen. Wir haben viel über die Etrusker geredet, denen ja seine ganze Schaffenskraft galt. Etrusker und Kelten sind sich ähnlich, Vater. Beide verehrten heidnische Götter, und beide glaubten an den Zauber von Dämonen. Dämonen gehörten zu ihrem Leben. Man hat ihnen Opferstätten geweiht. Unbeschreibliche Greuel müssen dort geschehen sein, die wir uns heute kaum vorstellen können. Der Professor sprach von schrecklichen Flüchen, die eines Tages in Erfüllung gehen würden, und er hat auch davon geredet, daß ein Etruskerfriedhof ganz in der Nähe liegt. Er ging sogar noch weiter und vermutete den Friedhof direkt unter dem heutigen. Wir befinden uns hier auf einem Berg, der Boden unter uns ist felsig. Die Etrusker haben ihre Toten in Höhlengräbern beigesetzt. Ich weiß das, war schließlich lange genug mit dem Professor zusammen, und ich war ein gelehriger Schüler. Der Mann hat mich mit seinen Reden fasziniert, ich war Wachs in seinen Händen. Die Folgen habe ich dir ja selbst erzählt.«
Dieter König machte eine Pause und wischte sich über die Stirn. Sein Vater starrte auf die Platte des Schreibtisches. Seine Finger zitterten. Er mußte das Gehörte erst einmal verkraften. »Und wo befindet sich der Professor jetzt?« fragte Harry König nach einer Weile.
»Ich habe ihn zum Friedhof gehen sehen«, erwiderte Dieter. »Da ist der Oberinspektor aber auch!«
»Ja.«
Harry König sprang auf. »Wenn er auf den Professor trifft – Himmel, wir müssen dem Oberinspektor helfen.«
»Das habe ich schon versucht. Aber er hat meine Hilfe abgeschlagen. Sinclair hat gesagt, er würde mit dem Kerl schon allein fertig. Und dafür sehe ich ihn auch an.«
»Trotzdem…«
»Vater, nicht«, rief Dieter König. »Wir sind in diesem Spiel Statisten. Wir können nur beten, daß Sinclair es schafft. Er hat doch ganz andere Möglichkeiten als wir. Er besitzt Waffen, mit denen er gezielt die Dämonen bekämpfen kann.«
»Also gut, wenn du meinst. Und was schlägst du vor?«
»Wir müssen alles so weiterlaufen lassen wie bisher! Auf keinen Fall dürfen die Gäste etwas davon merken, daß bei uns nicht alles in Ordnung ist. Der Mord an Lisa hat schon genug Staub aufgewirbelt. Auch das Personal darf nicht eingeweiht werden. Aus deiner Sicht hast du recht, Vater. Ich gehe in die Küche und werde kochen wie jeden Abend. Unser Hotel ist fast ausgebucht, denk daran.«
»Schön, machen wir es so.«
Die beiden Männer verließen das Büro des Hoteliers. Mittlerweile war überall das Licht eingeschaltet worden. Im Gastraum brannten die Birnen in den schmiedeeisernen Kupferlampen. Zwei Mädchen legten frische Decken auf die Tische. Der Besteckkasten wurde aufgefüllt, Servietten bereitgelegt.
Es war ein Tag wie jeder andere.
Wenigstens schien das so.
Ein älteres Ehepaar kam von einem langen Spaziergang zurück.
Geduldig hörte sich Harry König die Erlebnisse an, bis es dem Mann endlich zuviel wurde und er seine Frau die Treppe förmlich hochschob.
Und dann passierte es.
Eines der Fenster flog plötzlich mit einem Knall zu.
Harry König befand sich gerade auf der Treppe zur ersten Etage, als er das Geräusch hörte.
Durchzug! war sein erster Gedanke, doch er revidierte ihn noch in der nächsten Sekunde.
Rein zufällig warf er einen Blick aus dem bis zum Boden reichenden Fenster.
Er sah, wie sich die Zweige der Bäume unter der Last des plötzlichen Sturms bogen. Blätter wischten durch die Luft, klatschten gegen die Scheiben. Unten fiel die Eingangstür krachend ins Schloß. Die Wasserfontänen des Springbrunnens wurden zur Seite gedrückt, spritzten gegen die gläserne Eingangstür.
Und draußen heulte der Orkan.
Der Wind jaulte um die Ecken des Hauses, wimmerte in den Winkeln und Nischen. Nebelschleier wischten an den Fenstern vorüber. Kleinere Zweige wurden von den Bäumen abgerissen und weggewirbelt.
Türen klappten. Die aufgeregten Gäste kamen aus ihren Zimmern, liefen auf den Flur.
»Herr König!« rief eine Frau mit Lockenwicklern in den Haaren. »Was ist denn draußen los?«
Harry König rannte ein paar Schritte den Gang hinunter. Er versuchte ein Lächeln zu produzieren, was ihm jedoch nicht ganz gelang.
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