GK0208 - Im Haus des Schreckens
Unheil.
Jane befand sich schon auf der richtigen Straßenseite. Immer wieder ließ sie ihre Blicke über die Hausfassaden gleiten. Sie war natürlich nicht ohne Schutz hergekommen. In ihrem Koffer befanden sich nicht nur Kleider oder Pullover, sondern auch einige Spezialwaffen, die John Sinclair ihr gegeben hatte. Unter anderem besaß sie auch eine mit geweihten Silberkugeln geladene Pistole. Ferner hing ein Silberkettchen mit einem daran befestigten Kreuz um ihren Hals.
Jane zählte leise mit. Sie war die Straße von der anderen Seite her gekommen. Sie hatte das bewußt getan, denn und als sie jetzt den Mund öffnete, bewegte sie beim Sprechen kaum die Lippen.
»Sie wünschen?« fragte die Frau.
Jane Collins lächelte verlegen. Sie hatte beschlossen, die Schüchterne zu spielen, und hoffte, mit ihrer Lügengeschichte so besser durchzukommen.
»Entschuldigen Sie, Madam. Mein Name ist Jane Collins. Ich…«
»Was ist? Reden Sie schon.«
»Also ich… Meine Freundin Lydia Rankin, die bei Ihnen hier wohnt, hatte mir einen Brief geschrieben. Wir stammen aus demselben Dorf, und da ich gerne nach London wollte und sie mir eine Wohnung…«
»Sie wollen demnach ein Zimmer«, stellte die Frau klar.
»Ja, Madam.«
»Hm.« Die Frau musterte Jane prüfend. Jane hatte dabei das Gefühl, vor einem Schlächter zu stehen, der sein Vieh taxierte. Dann öffnete die Frau die Haustür.
»Kommen Sie erst mal rein, Miß Collins.«
»Danke. Sehr freundlich.«
Jane betrat einen großen hallenartigen Flur. Die hohen Wände waren bis zur Hälfte gekachelt. Durch die Fenster fiel wenig Licht, so daß hier immer Dämmerung herrschte.
Die Frau – sicherlich war es diese Mrs. Longford – drückte die Tür hinter Jane ins Schloß. Der Privatdetektivin entging auch nicht, daß sie abschloß.
»Ich bin übrigens Mrs. Longford«, stellte sich die Frau jetzt vor. »Mir gehört dieses Haus hier.«
»Dann vermieten Sie auch die Zimmer, Madam?«
»Das kann man sagen. Hat Ihnen Ihre Freundin das denn geschrieben?«
»Ja, Mrs. Longford.« sie wollte sich einen Eindruck verschaffen.
Leise zählte Jane mit. »… Nummer elf… Nummer neun… Nummer sieben.« Da war das Haus.
Jane blieb stehen und stellte ihren Koffer ab.
Das Haus unterschied sich nicht von den anderen in der Charles Street. Die Fassade war renoviert worden. Man hatte sie mit grüner Farbe gestrichen, und die Fenstereinbrüche und kleinen Nischen mit Weiß nachgezogen. Ein Eisenzaun umschloß den Vorgarten. Die Spitzen des Zaunes waren nach innen gebogen und bildeten einen Halbkreis. Ein kleines Tor führte zum Haus hin. Der Plattenweg dahinter endete vor einer vierstufigen Steintreppe.
Nur etwas fiel Jane Collins auf.
Die Fenster des Hauses waren alle geschlossen. Kein Sommerwind konnte in die Räume fahren und dort den Mief vertreiben. Alles war dicht. Jane spürte, daß ihr Herz schneller klopfte. Sie war doch nervöser, als sie zugeben wollte. Schließlich gab sie sich einen Ruck, nahm den kleinen Koffer, öffnete das Tor und ging auf die Haustür zu.
Sie setzte ihre Schritte bewußt zögernd, so als wäre sie ziemlich unschlüssig. Aus den Augenwinkeln beobachtete Jane Collins das Fenster rechts neben der Haustür. Und tatsächlich. Hinter der Scheibe bewegte sich eine Gardine.
Jane wurde also beobachtet.
Die Detektivin tat so, als habe sie nichts wahrgenommen. Sie ging die Stufen hoch, und noch ehe sie einen Klingelknopf finden konnte, wurde die Tür geöffnet.
Jane Collins stand einer Frau gegenüber.
Aber was für einer.
Schwarzes kurzes Haar, ein bleiches Gesicht mit hochstehenden Wangenknochen und Augen, aus denen die Kälte der Arktis zu strömen schien. Das dunkle Kostüm der Frau saß wie angegossen.
»Und was hat Sie Ihnen noch mitgeteilt?«
Jane sah die Frau an. »Ich verstehe nicht…«
Mrs. Longford machte eine unwirsche Handbewegung. »Ich meine, ob Sie Ihnen noch mehr über mich und das Haus mitgeteilt hat.«
»Nein!« Jane schüttelte den Kopf. »Wie kommen Sie darauf?« fragte sie erstaunt.
»Es war nur eine Frage«, wich Mrs. Longford aus. Dann legte sie ihren Arm um Janes Schultern. »Kommen Sie, Kind, ich glaube, wir werden uns schon einig werden.«
»Dann… dann… darf ich also bei Ihnen wohnen?«
Mrs. Longford lächelte. »Bestimmt.« Sie faßte Jane am Arm und führte sie auf eine dunkel gebeizte Tür zu. »Trinken wir erst einmal eine Tasse Tee zusammen, und dann reden wir über alles.«
»Wenn Sie meinen, Madam.« Jane
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