GK0208 - Im Haus des Schreckens
normale Ursachen haben, aber gerade in ihrer Situation war es doch mehr als ungewöhnlich.
John biß sich auf die Unterlippe.
Und schon kamen die ersten Vorwürfe. Er hätte Jane doch nicht allein lassen sollen. Vielleicht hatte diese Mrs. Longford längst ihr Inkognito durchschaut und sie ausgeschaltet.
Allein bei dem Gedanken verspürte John ein Ziehen in der Magengegend. Am liebsten wäre er zur Charles Street gerast und hätte sich Einlaß in das Haus verschafft. Doch das wäre zu diesem Zeitpunkt unklug gewesen. Bestimmt hätte er nichts herausgefunden.
Nein, John wollte es auf eine andere Weise versuchen. Er wollte ungesehen in das Haus eindringen.
Rechtlich hatte er sich mit einem Durchsuchungsbefehl abgesichert.
Er hatte das Papier ohne große Schwierigkeiten bekommen. Die Richter kannten John Sinclair, sie wußten auch von seinen Sonderaufgaben und waren darüber informiert, daß bei seinen Einsätzen oft sehr viel auf dem Spiel stand.
John Sinclair fuhr nicht direkt in die Charles Street. Er stellte seinen Bentley in der Hill Street ab. Sie mündete im rechten Winkel in die Charles Street.
In der Hill Street lag der vornehme Hill-Club, den John schon einmal besucht hatte. Er wußte, daß hinter dem Hill-Club einige Gärten lagen, die mit der Hinterseite an die Grundstücke der Charles Street grenzten.
Es würde nicht weiter auffallen, wenn John den Club nicht durch den Vordereingang verließ. Er war dort schließlich bekannt, und man wußte auch, welchem Beruf er nachging.
Vor dem Hill-Club – er lag ein wenig versetzt von der Straße – befanden sich einige für Gäste reservierte Parkbuchten. Dort stellte John seinen Bentley ab.
Über dem Club-Eingang brannte eine schmiedeeiserne Laterne. Die Tür war aus stabilem Holz und besaß ein Guckloch.
John mußte klingeln.
Ein Auge tauchte vor dem Guckloch auf.
John wußte, daß es Ramsey, dem Butler, gehörte. Er öffnete sofort.
Ramsey war ein knochentrockener Typ mit Hamsterbacken. »Sir«, sagte er. »Willkommen.«
John grinste. »Danke.«
Ramsey schloß hinter ihm die Tür.
Der Geisterjäger betrat die Clubräume. Sie erinnerten an eine komfortable Wohnung. Es gab mehrere Zimmer, in die man sich mit seinem Drink zurückziehen konnte. Ober bewegten sich lautlos auf dicken Teppichen.
John steuerte jedoch die eigentliche Bar an. Es war ein kleiner Raum mit einer hufeisenförmigen Theke und ohne Tische oder Stühle. Man konnte nur an der Theke sitzen, die aus feinstem Mahagoni gefertigt war. Schmiedeeiserne Lampen spendeten gemütliches Licht.
Drei Gäste saßen am Tresen. Zwei lasen Zeitung, der dritte unterhielt sich mit dem Mixer. Der Mixer hatte eine Rennzeitung vor sich liegen und versorgte seinen Gast mit Tips.
Ein vierter Mann betrat gleichzeitig mit John die Bar.
Es war Edward Pommeroy, ein alter Bekannter. Pommeroy war Anwalt, einer der besten von ganz London. Er war schon älter und hatte seine Kanzlei bereits dem Sohn überschrieben. Jetzt pflegte er nur noch das Clubleben und holte dadurch manch lukrative Aufträge herein.
»Mann, Sinclair«, rief Pommeroy jovial. »Sieht man Sie auch mal wieder.«
Edward Pommeroy hatte im Laufe der Zeit Speck angesetzt. Sein Maßanzug spannte sich etwas in Höhe des Bauches. Pommeroy war ein blendender Gesellschafter, und vor allen Dingen an John Sinclair schien er einen Narren gefressen zu haben.
»Darauf müssen wir einen Scotch trinken«, sagte Pommeroy.
»Kommen Sie, Sinclair, ich lade Sie ein.«
Er faßte den Geisterjäger am Arm und zog ihn mit zum Tresen, wo der Mixer die Zeitung beiseiteschob, als er sah, daß zwei neue Gäste kamen.
»Zwei Scotch, Charlie«, rief Edward Pommeroy.
»Sehr wohl, Sir.«
John Sinclair und Edward Pommeroy nahmen auf zwei Lederhockern Platz. Die Hocker besaßen Rückenlehnen und waren im Boden verschraubt.
Der Oberinspektor hatte natürlich nicht damit gerechnet, Edward Pommeroy hier zu treffen, er machte aber gute Miene zum bösen Spiel und trank einen Scotch.
»Wie geht es Ihnen, alter Haudegen?« fragte Pommeroy. »Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Habe gehört, daß Sie Oberinspektor geworden sind. Alle Achtung, eine reife Leistung.«
John winkte ab. »Das ist schon gar nicht mehr wahr.«
Pommeroy lachte. »Sie sind wie immer viel zu bescheiden.«
Er fragte und fragte, und dabei brannte John die Zeit auf den Nägeln.
Schließlich – es waren etwa fünfzehn Minuten vergangen – hatte John Sinclair Glück.
Pommeroy bekam
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