GK0215 - Die Rache des Kreuzritters
ernst.«
Michael blickte Rainer an. Und er sah auch, daß sein Freund keine Sprüche machte. Deshalb nickte er. »Okay, erzähle.«
Rainer holte noch einmal tief Luft, ehe er anfing zu reden. »Ich habe den Kreuzritter heute morgen wieder gesehen. Im großen Rittersaal.«
Michael starrte Rainer ungläubig und mißtrauisch zugleich an. »Und?«
»Er hat auf mich geschossen.«
»Geschossen?« echote Michael.
»Ja. Mit einem Pfeil. Plötzlich stand er im Saal. Er hielt Pfeil und Bogen in der Hand. Der Pfeil zischte dicht an meinem Kopf vorbei in das Holz der Tür. Ich wollte ihn herausziehen, als Beweisstück sozusagen. Aber das Ding löste sich vor meinen Augen auf. War einfach weg. Und statt dessen standen plötzlich einige Worte auf der Tür.«
Jetzt machte Michael Kramer keine Bemerkung mehr, sondern hörte gebannt zu.
»Es war eine Warnung«, fuhr Rainer fort. »Wir sollen die nächste Nacht nicht überleben, hieß es da. Und als ich die Worte gelesen hatte, verschwanden sie ebenso wie der Pfeil. Auch der verfluchte Ritter war mit einem Mal weg.«
Michael Kramer blieb vor Staunen der Mund offen stehen. »Ja… warum hast du uns denn nichts davon gesagt?«
Rainer Schröder lachte bitter. »Wer hätte mir denn geglaubt? Du etwa?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Bitte. Aber jetzt glaubst du mir?«
»Natürlich.« Michael faßte Rainer am Arm. »Was machen wir denn nun? Am besten, wir verschwinden. Sofort. Auf der Stelle.«
»Wenn es mal nicht zu spät ist.«
»Ach was, komm!«
»Und die Mädchen?« fragte Rainer.
»Meinst du, die glauben uns?«
»Sie müssen.«
»Okay. Nur, was machen wir mit dem Engländer? Wir können John doch nicht einfach hier sitzenlassen.«
»Ja, das stimmt auch wieder«, erwiderte Michael Kramer nachdenklich. Er sah sich um. »Wo steckt er eigentlich?«
»Er wollte sich ein Zimmer suchen.«
»Im Turm?«
Rainer Schröder hob die Schultern. »Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung.«
»Dann suchen wir ihn«, schlug Michael Kramer vor.
»Rainer, Michael! Kommt ihr?« Eine helle Mädchenstimme schnitt durch die Stille.
Irene Held hatte gerufen. Sie und Paulette schauten aus dem Turmfenster von Irenes Zimmer und winkten. »Wir wollen ein Abendessen beim Kerzenschein machen. Und bringt John mit.«
Rainer legte beide Hände als Schalltrichter gegen den Mund. »Ich weiß nicht, wo John steckt. Ihr vielleicht?«
»Nein!«
»Dann suchen wir ihn.«
»Okay. Aber beeilt euch. Wir packen schon mal die Konserven aus. Paulette will durchaus ein tolles Gericht zaubern«
»Wartet noch damit«, rief Rainer.
»Warum?«
»Das sagen wir euch später.«
Die beiden Mädchen winkten ab und verschwanden aus dem Fenster. Michael hielt seinem Freund die Zigarettenschachtel hin, und Rainer bediente sich. Er spendierte dafür eine Runde Feuer.
»John hätte sich längst schon wieder blicken lassen können«, sagte er. »Ist auch nicht die feine englische Art.«
»Wahrscheinlich sucht er eine Dusche.«
Rainer grinste. »Da kann er lange suchen.«
Die beiden jungen Männer schlenderten zum Turm. Inzwischen bewölkte sich der Himmel immer mehr. Die Ränder der grauen, dicken Wolken leuchteten schwefelgelb. Die Sonne – wenn sie mal wieder für einen Augenblick zu sehen war – war nur noch ein fahler weißgelber Fleck. Obwohl hier oben auf der Burg normalerweise immer der Wind pfiff, bewegte sich kein Lüftchen. Die Luft schien zu stehen. Sie drückte förmlich auf die Menschen und erschwerte das Atmen.
»Mein Gott, ist das heiß«, flüsterte Michael und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war kalt und klebrig. »Bei diesem Wetter zu rauchen, ist das reinste Gift«, sagte er und warf seine Zigarette weg. Rainer tat es ihm nach. Sorgfältig traten sie die Glut aus.
»Wenn wir Pech haben, tobt das Gewitter die ganze Nacht durch«, meinte Michael. »Sieh dir doch mal den Himmel an. In allen Richtungen, in die du schauen kannst – nur grau.«
Sie betraten den Turm. Hier war es etwas kühler. Die beiden Freunde atmeten tief durch.
»Ich suche im Turm nach«, sagte Rainer. »Und du nimmst dir den Rittersaal vor.«
Michael war einverstanden.
Sie wollten sich schon trennen, als Rainer seinen Freund heftig in die Seite stieß.
»Was ist denn, verdammt…«
Michael verstummte, denn jetzt sah er den Grund selbst, weshalb ihn Rainer angestoßen hatte.
Die Falltür war offen!
Michael Kramer sog pfeifend die Luft ein. »Ob John Sinclair hier herunter…«
»Sicher ist er
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