GK0215 - Die Rache des Kreuzritters
ersten Moment nicht, daß er verloren hatte. Er feuerte weiter – bis das Magazin leer war.
Auch dann noch riß er den Abzug durch. Immer wieder.
Der Kreuzritter stand aufrecht.
Und dann – von einer Sekunde zur anderen – drang in Michael Kramers Bewußtsein, daß es aus war.
Langsam ließ er beide Arme sinken. Die Pistole rutschte ihm aus den Fingern, blieb im wild wuchernden Gras des Burghofes liegen.
Michaels Augen wurden groß. Er begann zu zittern. Die Gestalt des Ritters verschwamm vor seinen Augen.
Verloren! schrie es in ihm. Verloren! Aus! Vorbei!
Und dann kam die Angst.
Auf einmal war sie da. Michael Kramer wußte, daß der Tod schon seine Knochenhände nach ihm ausgestreckt hatte. Der Tod, das war in diesem Fall Alexander von Rochas, der unheimliche Kreuzritter.
Er ging auf den schreckensstarren Michael Kramer zu.
Bleich schimmerte der skelettierte Schädel unter dem Helm. Die schwere Rüstung quietschte in den Scharnieren, das Kettenhemd klirrte. Wie festgeschmiedet lag das Schwert in der Knochenhand des Ritters. Es war beidseitig geschliffen.
Michael war mit seinen Nerven am Ende. Nichts war mehr da von seinem ursprünglichen Mut und der Entschlossenheit. Er war nur noch ein zitterndes Bündel Mensch.
Langsam sank er in die Knie. Er hatte beide Hände gefaltet, hob sie in einer verzweifelten Geste dem Kreuzritter entgegen.
»Bitte«, flüsterte er. »Bitte, töte mich nicht. Ich will leben. Leben!«
Ein grausames Lachen war Antwort genug. Nein, Michael hatte von der Bestie kein Pardon zu erwarten.
Und oben im Turmfenster sahen Irene Held und Rainer Schröder dem schrecklichen Spiel zu.
Irene war blaß. »Ich… ich kann nicht mehr«, ächzte sie. »So tu doch was, Rainer. Bitte, tu was!« Sie schrie und trommelte mit ihren kleinen Fäusten gegen Rainers Brust.
Rainer drängte sie vom Fenster weg zum Bett hin. »Bleib da liegen«, sagte er, »und schau nicht mehr hin. Niemand kann Michael mehr helfen.«
»Aber wir können ihn doch nicht sterben lassen. Wir müssen etwas tun, Rainer. Bitte!«
Rainer Schröder biß die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. Noch einmal warf er einen Blick aus dem Turmfenster. Was er zu sehen bekam, ließ ihm den Herzschlag stocken.
Michael Kramer kniete auf dem Boden.
Einen Schritt vor ihm stand der Ritter. Er hielt den Griff des Schwertes mit beiden Fäusten umklammert und hatte es hoch über seinen Kopf geschwungen.
Jede Sekunde konnte der tödliche Schlag erfolgen.
»Neiiin! Nicht!« brüllte Rainer Schröder.
Einen Moment lang ließ sich der Kreuzritter ablenken. Er hob den Kopf, um Rainer ansehen zu können. Rainer hatte das Gefühl, die leeren Augenhölen würden ihn verschlingen.
Doch aufhalten konnte Rainer Schröder den Ritter nicht.
Mit ungeheurer Wucht ließ er das Schwert niedersausen. Michael Kramer schrie nicht. Er war bereits tot! Ein Herzinfarkt bewahrte ihn vor dem schrecklichen Ende. Das Schwert pfiff an ihm vorbei, als er zur Seite sank und auf das Pflaster schlug…
***
John Sinclair lief durch das unterirdische Gewölbe. Der Oberinspektor war auf der Jagd nach dem Kreuzritter. Er rechnete damit, daß sich die Bestie irgendwo versteckt halten mußte.
Aber er sah keine Spur von dem Ritter.
John lief durch Gänge und Stollen, die er nie zuvor betreten hatte. Dann spürte er plötzlich einen kühlen Luftzug an seiner linken Wange vorbeistreichen.
Der Geisterjäger blieb stehen.
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Ein Luftzug! Das bedeutete, daß hier irgendwo in der Nähe ein Ausgang liegen mußte. Aber wo?
Sinclair ließ die Lampe kreisen.
Plötzlich sah er den Schacht. Schräg führte er nach oben, und es war sogar eine Eisenleiter in den Fels geschlagen worden. Die Sprossen hatten Rost angesetzt, sahen brüchig aus, aber John wollte es riskieren. Hatte er vielleicht den heimlichen Fluchtweg des Kreuzritters gefunden?
Der Geisterjäger hakte die Lampe an seinem Hosengürtel fest, packte die zweitletzte Sprosse der Leiter und zog sich hoch.
Es knirschte im Gestein, doch die Haken hielten Johns Gewicht aus. Rost rieselte auf seinen Kopf. John machte einen Klimmzug, hangelte sich dann höher und zog die Beine an.
Jetzt war die Kletterei nur noch ein Kinderspiel. Je höher er kam, um so kühler wurde es. Der Luftzug strich über John Sinclairs erhitztes Gesicht, brachte eine merkliche Linderung.
Dann sah John Sinclair den Sternenhimmel über sich funkeln. Er hatte den Ausstieg erreicht. Der Geisterjäger
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