GK064 - Vögel des Todes
angefangen, Senor Ballard. Und zwar mit dem Mord an Llagostera. Und sie sind weitergegangen mit dem Verschwinden von Rosalind Peckinpah.«
»Glauben Sie, dass sie noch lebt?«, fragte Vicky ängstlich. Sie hatte sich mit Rosalind ausgezeichnet verstanden.
Fernando Cordobes schaute meine Verlobte mit Wehmut in den dunkelbraunen Augen an. »Rosalind Peckinpah lebt ganz gewiss nicht mehr.«
***
»Ich habe Rosalind Peckinpah getötet!«, gestand uns wenig später Manuel Alvarez mit Tränen der Reue in den Augen. »Ich habe sie auf dem Gewissen!«
Wir hatten ihn zu Hause angetroffen. Da er – genau wie wir – noch nicht zu Abend gegessen hatte, lud ich ihn in ein nahe gelegenes Restaurant ein. Als er sich eine Paella für zwei Personen bestellte, wusste ich, dass er kein Geld in den Taschen hatte und sich deshalb den Magen bei dieser Gelegenheit gleich für zwei Tage voll schlagen wollte.
Ich hatte nichts dagegen.
Vicky und ich aßen Cocido, eine Madrider Spezialität mit Kichererbsen, Rindfleisch und Schinkenstückchen. Danach tranken wir einen leichten Rotwein.
»Wieso sind Sie so sicher, dass Mrs. Peckinpah nicht mehr lebt?«, fragte ich, nachdem ich kurz vom Wein genippt hatte.
Er schaute mich verwirrt an.
»Sie wissen doch, dass sie allein zum Castell hinaufgegangen ist, Senor Ballard.«
»Na und? Muss sie deshalb gleich tot sein?«
»Sie ist nicht mehr wiedergekommen.«
»Das beweist gar nichts. Vielleicht hat sie sich den Fuß gebrochen und liegt jetzt hilflos irgendwo dort oben.«
Manuel fuhr sich mit der Hand über die Augen, als wollte er ein schreckliches Bild fortwischen.
»Ich hätte sie nicht gehen lassen dürfen.«
»Sie hätten sie begleiten sollen!«, sagte ich vorwurfsvoll.
»Ich?«, fragte Manuel Alvarez erschrocken. Hastig trank er sein Weinglas leer und füllte es sofort wieder.
Ich schaute ihn spöttisch an.
»Ich dachte, ihr Spanier seid tapfere Leute.«
Er hob trotzig den Kopf.
»Das sind wir!«
»Aber ihr fürchtet euch vor einer Legende.«
»Das ist keine Legende, Senor Ballard. Paco Benitez ist keine Legende. Er ist nach Torroella zurückgekommen. Er hat von einem aus unserer Mitte Besitz ergriffen.«
»Von wem?«, unterbrach ich Alvarez schnell.
»Das – das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es geschehen ist.«
»War jemand oben beim Castell, um nach Rosalind Peckinpah zu suchen?«
»Niemand würde sich da hinauf wagen. Senor Ballard.«
»Auch die Polizei nicht?«
»Niemand. Gar niemand. Auch Polizisten sind in erster Linie Menschen. Und als solche fürchten auch sie die Rache von Paco Benitez, dem Jünger des Satans.«
In diesem Augenblick stand mein Entschluss fest.
»Ich werde morgen zu diesem Castell hinaufgehen und Rosalind Peckinpah suchen.«
Manuel Alvarez schaute mich an, als hätte ich mein eigenes Todesurteil gesprochen.
»Dann werden Sie das nächste Opfer sein, Senor Ballard«, sagte er und trank sein Weinglas abermals hastig leer.
***
Nachdem wir Fernando Cordobes verlassen hatten, hatte er Carmen Fuente, die Tochter des Bürgermeisters, von zu Hause abgeholt. Die beiden liebten einander seit einem halben Jahr. Sooft es möglich war, waren sie zusammen.
Das sah der Bürgermeister zwar nicht gern, aber gegen die Liebe der beiden war er eben machtlos.
Es entsprach nicht seinen Vorstellungen, dass seine Tochter die Frau eines Stierkämpfers werden sollte. Er hätte einem Mann mit einer solideren beruflichen Existenz den Vorzug gegeben.
Da war zum Beispiel der Junggeselle Jess Rivera. Ein angesehener Mann im Dorf. Ein Arzt. Obwohl Rivera Ausländer war, hätte der Bürgermeister Carmen und ihm weit lieber seinen Segen zu einer ehelichen Bindung gegeben. Doch Carmen wollte von Dr. Rivera nichts wissen, obwohl der Arzt sein Interesse nicht verheimlichte.
Fernando brachte das Mädchen in seinem klapprigen Wagen nach Estartit. In einer netten Diskothek mischten sie sich unter die vergnügungssüchtigen Touristen und tanzten beinahe zwei Stunden lang ohne Unterbrechung.
Anschließend gingen sie ans Meer.
»Ich möchte, dass wir heiraten, Carmen«, sagte Fernando.
»Vater ist dagegen«, flüsterte das Mädchen.
»Geschieht nun das, was dein Vater will, oder das, was du willst?«, brauste Fernando ärgerlich auf. »Willst du mit ihm glücklich werden oder mit mir?«
»Bitte, lass mir Zeit, Fernando. Wir kennen uns doch erst seit einem halben Jähr. Ich werde Vater umstimmen. Bestimmt. Aber das gelingt mir nicht von heute auf morgen, verstehst
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