GK083 - Der Henker aus dem Totenreich
gebeten, Papier zu besorgen – danach war es Zeit gewesen, essen zu gehen.
Jedenfalls führte ich mein Vorhaben erst am späten Nachmittag aus.
Vicky saß schon wieder an ihrer elektrischen Schreibmaschine.
Lance Selby äußerte den Wunsch, mich zu Herrmann Wolf begleiten zu wollen.
Ich hatte nichts dagegen.
Wir fuhren mit meinem Buick Riviera.
Wolf war zu Hause. Er öffnete auf mein Läuten und schaute Lance und mich so an, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders. Ohne viele Fragen zu stellen, ließ er uns eintreten. Möglich, dass er zu uns Vertrauen hatte. Ich war aber eher der Meinung, dass er gar nicht richtig mitbekam, was er machte. Er wirkte verstört, hatte ein graues Gesicht und trübe Augen, in denen kein Leben war.
Im Wohnzimmer durften wir uns setzen.
»Sie müssen schon entschuldigen, meine Herren«, sagte er leise. »Der Tod meiner Frau hat mich furchtbar mitgenommen. Wenn sie an irgendeiner Krankheit zugrunde gegangen wäre, könnte ich mich vermutlich eher damit abfinden. Aber sie war kerngesund. Und sie starb keines natürlichen Todes, sondern wurde ermordet. Hier, in dieser Wohnung. Während ich mit Slim, meinem Freund, auf einer Sauftour war. Das alles ist so schrecklich, verstehen Sie?«
Eine Weile sagte keiner ein Wort. »Sie haben sicherlich viel über diese… diese Sache nachgedacht, Herr Wolf«, sagte ich.
»Natürlich.«
»Kamen Sie zu irgendeinem Ergebnis? Können Sie sich vorstellen, wer diesen Mord begangen hat, und warum der Mord begangen wurde?«
Wolf schüttelte verzweifelt den Kopf.
»Das alles hat mich schon Capitano Delgado gefragt. Ich habe keine Erklärung. Ich kann mir nicht vorstellen, was für einen Grund es geben könnte, Kirsten zu töten.«
»Vielleicht wollte jemand Sie mit diesem Mord treffen«, meinte Selby.
»Aber… aber warum denn?«, fragte Wolf verwirrt. »Niemand hasst mich so sehr, dass er mir das antun würde.«
»Sind Sie da ganz sicher?«, fragte Selby.
»Absolut sicher!«, nickte der Deutsche.
»Sie erinnern sich gewiss noch an Angel Carronas schreckliches Ende«, sagte ich.
»Wer könnte das jemals vergessen«, gab Herrmann Wolf zurück.
»Ihre Frau hat den Garrottenmord aus nächster Nähe beobachtet.«
»Ja, das hat sie.«
»Könnte es sein, dass sie eine Beobachtung gemacht hatte, die es möglich gemacht hätte, den unheimlichen Mörder zu entlarven?«, fragte ich.
Wolf rauchte hastig.
»Kirsten hat nichts erwähnt, Herr Ballard. Ich muss aber zugeben, dass wir dieses scheußliche Thema absichtlich gemieden haben. Sie können sich vorstellen, dass Kirsten nicht den Wunsch hatte, oft darüber zu sprechen.«
»Nun ist sie tot, und sie wird uns nie mehr etwas sagen können«, meinte Lance Selby gedankenverloren. Er stieß die halb gerauchte Zigarette lustlos in den Aschenbecher. Auch Wolf rauchte nicht mehr weiter. Lance wandte sich an mich: »Vielleicht hat sie irgendeine Wahrnehmung gemacht, Tony.«
»Sie hätte das doch sofort dem Capitano gesagt!«, warf Herrmann Wolf ein.
»Der Meinung bin ich auch«, sagte ich.
»Sie hatte einen Schock erlitten. Da geraten manche Wahrnehmungen manchmal ins Unterbewusstsein, und es dauert eine Weile, bis sie wieder hochkommen«, verfolgte Lance seine Theorie weiter.
»Du bist also der Auffassung, Kirsten musste sterben, weil sie in der Lage gewesen wäre, das Geheimnis des unheimlichen Mörders zu lüften?«
»Ja, Tony. Hat doch Hand und Fuß meine Theorie.«
»Vielleicht. In der weiteren Folge hieße das natürlich, dass Kirsten von diesem Unbekannten getötet wurde«, sagte ich.
Lance Selby nickte.
»So stelle ich mir das vor.«
»Kirsten wurde aber mit einer Nylonschlinge erdrosselt.«
»Du meinst, der Mord hätte mit der Garrotte verübt werden müssen, wenn an meiner Theorie etwas dran sein sollte…«
»Nein. Nein. Nein!«, schrie Herrmann Wolf dazwischen. »Hören Sie auf! Aufhören! Ich kann das nicht mit anhören! Verstehen Sie denn nicht? Ich habe meine Frau geliebt! Sie wurde auf eine grausame Weise umgebracht. Ich ertrage Ihre Diskussion einfach nicht. Das ist zu viel für mich! Sehen Sie das bitte ein.«
»Verzeihen Sie, Herr Wolf«, sagte ich. Er hatte Recht. Was Lance und ich besprachen, musste ihn selbstverständlich quälen.
Lance war also der Meinung, Kirsten Wolf wäre ein Opfer des Garrottenmörders geworden.
Ich wollte trotzdem nicht an Lances Theorie glauben.
Herrmann Wolf hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen.
Nun ließ er sie langsam wieder
Weitere Kostenlose Bücher