GK112 - Der Geist der Serengeti
in meiner Haut, aus der trotz der Hitze eine Gänsehaut geworden war.
Wahrscheinlich steckte Ngassa mit seinen Kumpanen hinter der Errichtung dieses Dorfs, das es nicht geben durfte.
Er hatte es für uns aufgebaut, damit wir annahmen, bereits in Oldeani zu sein.
Weshalb hatte er sich solche Mühe gemacht?
Ich öffnete die Tür.
»Was hast du vor, Tony?«, fragte mich Rodensky mit zusammengezogenen Brauen.
»Wir fahren nicht weiter!«, entschied ich. Der Wind zerrte an meinen flatternden Hosenbeinen.
»Nicht weiter?«, fragte Vladek erstaunt.
»Ich glaube, wir sind am Ziel«, sagte ich.
Rodensky schaute mich an, als hätte ich meinen Verstand verloren.
»Aber Ndutu hat doch soeben gesagt, dass dies hier nicht Oldeani ist, Tony. Du wolltest doch nach Oldeani fahren!«
»Vielleicht fahren wir später nach Oldeani«, gab ich zurück. Meine Füße berührten den sandigen Boden.
»Was willst du denn in diesem von Gott und den Menschen verlassenen Dorf?«
»Mich umsehen.«
»Ich rate dir ab.«
»Ihr bleibt im Wagen«, sagte ich.
Rodensky schüttelte heftig den Kopf.
»Wenn du in dieses Dorf gehst, kommen wir alle mit dir.«
Ich wollte widersprechen, aber ich tat es nicht. Das Dorf hatte eine seltsame Ausstrahlungskraft auf mich.
Ich dachte, es müsse das Dorf sein. Doch diese Kraft, die mein weiteres Handeln und Denken beeinflusste, kam von woanders.
Plötzlich brannten in meinem Inneren alle Sicherungen durch.
Ich nahm nichts mehr wahr, hatte einen richtigen Blackout. Mir war, als würde mit einemmal alles stehen bleiben. Der Lauf der Welt. Die Zeit. Mein Herz.
Ich sah zwar das Dorf, aber ich begriff nicht mehr, was ich erblickte.
Ich sah zwar noch meine Freunde, die aus dem Rover kletterten, aber mein Geist vermochte nichts mit ihnen anzufangen.
Sie wirkten auf mich wie Puppen. Unpersönlich. Fremd. Keiner Gefühle wert.
Und plötzlich füllte sich meine Brust mit einer unendlichen Traurigkeit, die mich ertränken wollte.
Ich spürte, dass mich jemand anstarrte, wusste aber nicht, woher die Blicke kamen und wer sie mir zuwarf. Ich merkte nur, dass diese Blicke in mir einen furchtbaren Reflex auslösten, gegen den ich mich nicht wehren konnte.
Ich begann zu handeln, ohne zu wissen, was ich tat.
Ich machte alles vollkommen mechanisch.
Jemand zwang mich, zu tun, was ich tat.
Plötzlich stießen Vladek Rodensky und Ndutu einen grellen Schrei aus. Der Schrei kam gleichzeitig aus ihren weit aufgerissenen Mündern.
Sie stürzten auf mich zu, überfielen mich, packten mich, rissen mich um und warfen mich zu Boden.
Ich wollte mich gegen sie zur Wehr setzen. Ich fauchte wütend und schlug nach ihnen.
Aber sie waren gemeinsam zum Glück stärker als ich.
Doch so schnell gab ich nicht auf. Ich versuchte, mich aus ihrer Umklammerung herauszuwinden. Ich schrie sie an. Ich wütete und tobte.
»Tony!«, schrie mir Rodensky ins schweißnasse, hassverzerrte Gesicht. »Tony! Um Himmels willen, tu's nicht!«
Ich bekam meine Hände fast wieder frei.
Da setzte mir Rodensky blitzschnell seine Faust gegen das Kinn.
Der Schlag rüttelte mich bis in die Zehen durch und paralysierte den gefährlichen Einfluss, unter dem ich gestanden hatte.
Ich starrte Ndutu und Rodensky verwirrt an.
»Gott, Tony!«, stöhnte Vladek. Ich begriff nicht, warum er so besorgt tat.
Auch Ndutu starrte mich verstört an.
Ich bat sie, mich loszulassen. Aber sie misstrauten mir.
»Mann, was ist denn bloß las mit dir?«, fragte mich der Brillenfabrikant atemlos.
»Lass mich los!«, verlangte ich wieder.
»Junge, ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich.«
»Weshalb?«
»Tu nicht so, als wüsstest du's nicht.«
»Ich weiß es wirklich nicht, Vladek.«
»Du… du wolltest dich erschießen!«, sagte Rodensky.
Mir fuhr ein eisiger Schreck in die Glieder.
Jetzt kehrte in meine Finger der Tastsinn zurück. Ich fühlte, dass ich meinen Colt Diamondback in der Hand hatte. Es war mir nicht aufgefallen, dass ich ihn aus der Schulterhalfter gezogen hatte.
Ich nickte den beiden Männern zu.
»Ich bin wieder okay.«
»Im Ernst?«, fragte Vladek misstrauisch.
»Du kannst beruhigt sein.«
»Steck ganz schnell die Kanone weg!«, verlangte der Österreicher.
Sie ließen mich los.
Ich schob den Diamondback in die Schulterhalfter zurück.
Sie griffen unter meine Arme und stellten mich mit einem Ruck auf die Beine.
Nun kam Naabi angerannt und warf sich mir schluchzend an den Hals.
»O Tony. Ich hatte solche Angst um dich.«
»Was ist
Weitere Kostenlose Bücher