GK178 - Das Haus der Verdammten
Weise?« wollte ich wissen.
»Derjenige, dessen Bild sich darin spiegelt, wird in der Vollmondnacht von diesem Spiegel förmlich aufgesogen. Es gibt ihn dann nur noch auf diesem Glas, aber das ist bloß eine Zwischenstation. In der weiteren Folge wirft der magische Spiegel sein Opfer ins Reich der Toten. Unzählige Leute sind auf diese Weise schon für immer verschwunden. Keinem ist es gelungen, zurückzukehren. Verstehen Sie nun, warum ich Ihnen diesen Spiegel schenken möchte?«
»Hat noch niemand versucht, den Spiegel zu zerstören?« fragte ich verwundert.
Wortlos reichte mir Mabb einen Hammer. »Versuchen Sie es.«
»Es tut Ihnen nicht leid um das prachtvolle Stück?«
»Absolut nicht, Tony.«
Ich riß den Hammer hoch und drosch mit aller Kraft zu. Der Spiegel klirrte unter dem Sack. Ich grinste. »Na bitte. Jetzt ist er hin.«
Mabb nahm den groben Stoff zur Seite. Ich traute meinen Augen nicht. Nicht den geringsten Sprung wies dieser seltsame Spiegel auf. Langsam wurde mir dieses Ding unheimlich.
»In keinem anderen Haus ist dieser Spiegel besser aufgehoben als bei Ihnen, Tony«, sagte der Antiquitätenhändler ernst. »Nehmen Sie ihn mit. Vielleicht schaffen Sie es eines Tages, sein gefährliches Geheimnis zu ergründen.«
Ich dachte vor allem an Mr. Silver. Er sollte versuchen, diese harte magische Nuß zu knacken. In diesen Dingen war er der bessere Mann, das mußte ich neidlos zugeben. Kein Wunder.
Schließlich war mein Freund auch ein ehemaliger Dämon.
»Hängen Sie sich den Spiegel ins Haus, Tony«, sagte A. F. Mabb mit einem müden Lächeln. »Aber seien Sie auf der Hut. Vergessen Sie nicht, diesen Teufelsspiegel in den Vollmondnächten zu verhängen, sonst gibt es eine Katastrophe.«
***
Er war mal Lehrer gewesen. Gott, wie lange war das nun schon her. Eines Tages hatte er vom Unterrichten die Nase voll gehabt. Die Kinder hatten ihn zuviel geärgert. Deshalb hatte er den Kram hingeschmissen und die Schule für immer verlassen. So hatte Glenn Caboons sozialer Abstieg begonnen. Eine Zeitlang hatte er Nachhilfeunterricht gegeben, dann hatte er sich eine Schießbude auf dem Rummelplatz zugelegt, war damit sehr bald pleite gegangen… und heute war Caboon ein Penner, dem die Rotznasen nachliefen, den sie verspotteten, den man mit gerümpfter Nase betrachtete. Der Park, in dem er in den letzten Nächten geschlafen hatte, wurde jetzt öfter von Polizisten durchstreift, weil sich ein Sittenstrolch in dieser Gegend herumtreiben sollte. Andauernd hatten sie ihn geweckt, ihm dumme Fragen gestellt, hatten ihn nicht schlafen lassen. Deshalb hatte er beschlossen, sich eine andere, weniger frequentierte Bleibe zu suchen. Außerdem wurde es in diesen Oktobernächten ohnedies schon verdammt ungemütlich auf der Parkbank.
Mit seinen abgetretenen Schuhen schlurfte Glenn Caboon durch die Gegend. Zwei Möglichkeiten für eine Übernachtung hatte er ungenützt gelassen. Unter der Brücke war es ihm zu windig und zu feucht gewesen. Und auf einer Baustelle hatte die Nachtschicht zuviel Lärm gemacht. Da wäre ja wieder nichts aus einem friedlichen Schlummer geworden.
So kam Caboon in die Coronet Street.
Nacht war es. Und über den verlassenen Häusern schimmerte der mehr und mehr zunehmende Mond.
Leere Häuser. Zu beiden Seiten der Straße. Caboon lachte in sich hinein. Paradiesisch war das geradezu. Wer hätte das gedacht? Eine Straße mitten in London, wo keiner wohnte — abgesehen von einem einzigen Haus, wie der Penner nun feststellte. Aber alle anderen Gebäude standen für ihn einladend offen, standen ihm zur Auswahl zur Verfügung. Er wußte nicht, für welches er sich entscheiden sollte. Auf eine unerklärliche Weise fühlte sich Caboon von den erhellten Fenstern der Familienpension angezogen. Da konnte er natürlich nicht übernachten. Dort hätten sie Geld verlangt, und Geld war etwas, was Caboon nur in kärglichem Maße zur Verfügung hatte. Aber gleich daneben konnte er einziehen. Gleich im Nachbarhaus kostete das Übernachten keinen Penny.
Caboon rieb sich das bartstoppelige Kinn. Er roch nicht gut. Wie lange hatte er sich schon nicht mehr gewaschen? An beiden Händen konnte er die Tage nicht abzählen. Wo hätte er sich denn waschen sollen? Im Park? Etwa an einem der Brunnen? Mit Publikum? Unmöglich. Und außerdem war es viel zu kalt gewesen. Caboon lehnte es jedoch ab, sich selbst als Schwein zu bezeichnen. Er hätte sich liebend gern mal wieder gewachsen. Aber nicht vor allen Leuten und
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