GK178 - Das Haus der Verdammten
Ina?«
»Herrgott, noch mal, sag Mr. Wise, daß wir uns eine solche Behandlung nicht gefallen lassen. Nicht von ihm, nicht von seinem Verwalter, von niemandem!«
»Nun, Mr. Wise«, schickte sich Dysart zu einer dürftigen Rede an. Er war dem Großgrundbesitzer und Industriellen aber dankbar dafür, daß er ihn nicht zu Wort kommen ließ.
»Ich kann Sie zwangsweise entfernen lassen!« schrie Nelson Wise die magere Frau an, denn sie war sein Gegner, nicht Charles Dysart, der war bloß Inas Hampelmann. »Halten Sie sich das gut vor Augen, Mrs. Dysart. Lassen Sie es lieber nicht dazu kommen. Ich werde Ihnen noch ein faires Angebot unterbreiten. Wenn Sie auch das ablehnen, fühle ich mich Ihnen gegenüber jeder weiteren Verpflichtung entbunden. Guten Tag!«
Ina wollte noch nicht gehen. Aber Charles stand schon an der Tür.
»Wir werden sehen!« rief Ina, als sie halb draußen war, mit hochgeschwungener Faust. »Das werden wir ja sehen, ob ihr da oben immer alles erreicht, was ihr wollt. Wir kleinen Leute haben auch ein Recht, zu leben, Mr. Wise. Vergessen Sie das nicht. Vergessen Sie das niemals. Wir werden unser Recht bekommen. Verlassen Sie sich darauf.«
Wutentbrannt warf Ina die Tür hinter sich zu.
Sie fuhren mit dem Taxi in die Coronet Street zurück.
Dysart fragte seine immer noch kochende Frau: »Findest du nicht, daß du mit Wise ein bißchen zu heftig gewesen bist, Ina?«
»Wenn es nach dir ginge, würdest du die schäbigste Hundehütte von ihm noch mit Handkuß annehmen, was?«
»Wise bemüht sich doch wirklich…«
»Das kann er dir weismachen, aber nicht mir. Dieser ausgekochte Halunke hat nichts anderes im Sinn, als uns aufs Kreuz zu legen. Und das werde ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern!«
»Erlaube mir zu sagen, daß man so mit einem Mann wie Wise nicht umspringen kann, Ina. Das muß er sich von uns nicht gefallen lassen. Wir haben… wenn wir ganz objektiv sein wollen, müssen wir das doch zugeben… wir haben die schlechtere Position in diesem Spiel. Du solltest den Bogen nicht zu sehr überspannen, Darling, sonst landen wir ganz schnell mit der Nase im Dreck. Das ist meine Meinung.«
»Besser, du behältst sie für dich!« zischte Ina gereizt. Kein weiteres Wort verschwendete sie mehr an ihren Mann. Das Taxi rollte durch die ausgestorbene Coronet Street. Ich weiß nicht, warum sie von hier nicht wegziehen möchte, dachte Charles Dysart verständnislos. Was hält sie hier noch? Was ist hier so attraktiv, daß man unbedingt bleiben möchte?
Ina ließ Charles die Fahrt bezahlen.
Augenblicke später stand sie vor den Bewohnern dèr Familienpension. William Meredith und Robert Gidding blickten sie prüfend an. Clarissa Blenford hielt im Kartenaufschlagen inne und richtete ihren durchdringenden Blick ebenfalls auf Ina. Meredith hatte eigentlich nur deshalb unterschrieben, weil Clarissa und Gidding bereits vor ihm ihren Namen auf Inas Schreiben gesetzt hatten. Er wollte sich nicht ausschließen. Im Grunde genommen war es ihm aber egal, wo er wohnte. Ob hier oder in einem anderen Stadtteil von London, was machte das schon für einen Unterschied?
»Nun«, begann Gidding, »Was hat Wise zu unseren Unterschriften gesagt?«
»Er meint, sie sind nicht einmal wert, in den Papierkorb geworfen zu werden!« fauchte Ina. Das waren zwar nicht Wises Worte, aber ihrer Ansicht nach hatte Wise es so gemeint.
Meredith erstaunte das nicht. Er hatte eigentlich mit keiner anderen Reaktion gerechnet. Sein Leben lang war er immer nur ein Phantast gewesen. Die Realität war ihm in den meisten Fällen verborgen geblieben oder war ihm unwichtig gewesen. Doch diesmal hatte er sich vom Anfang an keiner Illusion hingegeben. Ein Mammutprojekt sollte in Shoreditch buchstäblich aus dem Boden gestampft werden. Ihre Unterschriften waren nichts weiter als winzige Sandkörnchen in Wises gigantischem Getriebe. Es knirschte zwar ein wenig, aber aufzuhalten war die angelaufene Maschinerie dadurch doch nicht.
***
»Kummer, Nelson?« fragte an diesem Abend Cliff Holbrock seinen Schwiegervater. Sie saßen beim Abendessen um den großen Tisch, wurden von zwei Bediensteten bedient, Wise langte gerade tüchtig beim gebratenen Schweinefleisch zu.
»Ach, Kummer kann man das nicht nennen«, gab Wise verstimmt zurück.
Betty, seine Tochter, sah àn seiner Miene, daß er sich geärgert hatte und immer noch ärgerte. Sie zerkaute langsam das zarte Salatblatt, das sie sich in den Mund geschoben hatte, während
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