GK178 - Das Haus der Verdammten
einzige, in den Clarissa niemals hineinsehen konnte. Er war immer schwarz gekleidet, als müsse er trauern, weil er am Leben war.
Blieben nur noch die Dysarts selbst zu erwähnen: sie — ein zänkisches Weib mit Haaren auf den Zähnen. Er ein haltloser Trinker. Aber er soff heimlich. Und Ina wunderte sich immer wieder über seinen Erfindungsgeist, wenn es darum ging, die Flasche vor ihr zu verbergen.
Jetzt befand sich die ganze Sippschaft im Aufenthaltsraum. Als die Tür hinter Clarissa zufiel, schauten alle sie an. Das Mädchen schob das Kinn trotzig vor. Merediths Dobermann fing zu knurren an. Er hatte neben den Füßen des Schauspielers gelegen. Doch nun richtete er sich auf und fixierte das Mädchen mit seinen glänzenden Lichtern. Er mochte Clarissa nicht leiden. Meredith entschuldigte sich deshalb zumeist mehrmals am Tag. »Dieses dumme Tier. Ich kann Hassan nicht verstellen. Sie sind ein so ausnehmend hübsches Mädchen, Miß Clarissa. Woher mag es kommen, daß er gerade Sie nicht leiden mag?«
Clarissa, lächelte in sich hinein. Der Hund spürte, daß sie nur nach außen hin ein braves, verträgliches Mädchen war. Das Tier schien gemerkt zu haben, daß Clarissa ihre Seele, genau wie ihr Vater, dem Teufel verschrieben hatte. Sie besuchte in unregelmäßigen Abständen Satansmessen, wollte eines Tages Priesterin einer Teufelssekte werden, und sie tat heute schon Böses, wo immer sie dazu Gelegenheit hatten, um sich dereinst um die Hölle verdient zu machen.
Das Gesicht des Mädchens verzog sich zu einem höhnischen Lächeln. Der Dobermann wertete das als eine Herausforderung. Er sprang vor und verbellte das Mädchen.
Meredith schnellte hoch. »Wirst du wohl ruhig sein, du dummes Vieh!« schrie er den Hund an. »Was ist denn heute nur wieder in dich gefahren?«
Der Hund gebärdete sich wie toll. Er zerrte an der Leine und kläffte wie verrückt.
»Still!« schrie der Schauspieler, dem diese Situation sichtlich unangenehm war. »Still, sag’ ich!«
Hassan hörte nicht. Da schlug ihn Meredith. Daraufhin zog das Tier winselnd den Schwanz ein und verkroch sich unter dem Tisch. Meredith wandte sich um. Ein verlegenes Lächeln hing in seinem Gesicht. »Sie müssen schon entschuldigen, Miß Clarissa. Er hat mal wieder einen seiner schlechtesten Tage.«
»Ich bitte Sie, William, Sie brauchen sich doch nicht immer für Ihren Hund zu entschuldigen«, sagte Clarissa vollkommen ausdruckslos. Sie blickte das Tier mit strengen Augen an, und der Hund schien auf einmal Angst vor ihr zu haben.
Ina Dysart kam auf Clarissa zu. Sie war eine schmale Frau, und niemand konnte so recht verstehen, aus welchem Grund Charles Dysart sie so sehr fürchtete. Immerhin war er ein kräftiger Mann mit roten Backen und breiten Schultern. Seine Muskeln konnten sich sehen lassen, und wenn er irgendwo zupackte, dann bewies er, daß er über eine Menge Kraft verfügte.
Sicher hätte er Ina zeigen können, wer der Herr im Hause war. Bestimmt hätte er sich nicht sonderlich dabei anzustrengen brauchen.
Doch wenn sie ihn anblickte, war es vorbei mit seinen Bärenkräften. Dann wurde er klein und schwach, und er machte wortlos alles, was sie ihm befahl.
Ina trug eine bunt gemusterte Schürze. Sie hatte das braune Haar, das vereinzelt mit Silberfäden durchwirkt war, hochgesteckt. Ihr Hals war schlank. Charles Dysart hätte ihn mit einer Hand umspannen können, und ein Druck mit dieser einen Hand hätte genügt, um für immer frei zu sein. Clarissa fragte sich, warum er diesen rettenden Entschluß noch nicht gefaßt hatte. Er hätte dann nicht mehr im Geheimen zu trinken brauchen, hätte es in aller Öffentlichkeit tun können. Niemand hätte ihn mehr wegen jeder Kleinigkeit ausgeschimpft. Er hätte ein menschenwürdiges Leben führen können. Nach einem einzigen kurzen Druck. Clarissa nahm sich vor, über dieses Thema einmal mit ihm zu sprechen. Und zwar dann, wenn sie genug Whisky in seinen braunen Augen glänzen sah.
Ina rieb ihre schmalen Hände an der Schürze. »Es tut uns allen so furchtbar leid, Miß Clarissa, daß wir der Feuerbestattung nicht beiwohnen konnten. Gern wären wir gekommen, aber jeder von uns hatte zu tun…«
Clarissa blickte auf die Spielkarten, die auf dem Tisch lagen. Mit gedämpftem Zorn sagte sie: »Ich sehe es!« Sie schaute Ina gereizt in die Augen. »Teufel noch mal, ist es für Sie so schwer, bei der Wahrheit zu bleiben, Mrs. Dysart?«
Der heftige Ton erschreckte Ina. Sie fuhr sich unwillkürlich an den
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