GK249 - Die Furie
Toombs hätte es für vernünftig gehalten, das Pilzesammeln nun einzustellen und einen weniger beschwerlichen Weg zu suchen, auf dem man umkehren konnte. Doch Leggers Habgier war noch nicht befriedigt. Er raffte zusammen, was er entdeckte, und gab es seinem Freund, bis auch dessen Korb keinen einzigen Pilz mehr aufzunehmen vermochte.
»Ich denke, das reicht«, meinte Toombs.
Legger schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Wie kann man nur so schrecklich faul sein?«
»Wir haben jeder einen vollen Korb, Bob. Was willst du mehr?«
»Wenn es nach dir gegangen wäre, hätten wir nicht einmal ein Drittel davon gesammelt.«
»Nur wegen meinem Kreuz…«
»Eine billige Ausrede«, grinste Legger. »Komm weiter.«
Toombs’ Zunge huschte über seine dünnen Lippen. »Bob, wenn ich mir einen Einwand erlauben darf: Es wäre besser, wir würden umkehren. Wir haben noch einen ziemlich weiten Rückweg vor uns.«
»Weit? Das ist relativ, Sam. Für mich ist es nicht weit. Wir gehen noch ein Stück. Los.«
»Bob, es liegt mir fern, dir zu widersprechen. Du weißt, daß ich ein verträglicher Mensch bin, und im allgemeinen kannst du mit mir herumkommandieren wie du willst, es macht mir nichts aus, aber…« Toombs räusperte sich verlegen. Sein Blick wanderte zum dichten Laubbaldachin hinauf, der sich über ihnen ausbreitete. »Anscheinend ist es dir noch nicht aufgefallen, Bob, deshalb möchte ich dich darauf aufmerksam machen: Hier stimmt irgend etwas nicht.«
Legger lachte überheblich. »Nun komm mir bloß nicht damit, du hättest Angst, Sam!«
Toombs rieb sich verlegen die Nase. »Vielleicht habe ich die bessere Antenne von uns beiden, Bob. Jedenfalls spüre ich ganz deutlich, daß uns hier Gefahr droht.«
Legger schüttelte unwillig den Kopf. »Du spürst das nicht. Du vermutest es lediglich.«
»Bob, hör auf mich. Nur dieses eine Mal, okay? Kehren wir um.«
Legger war es nicht gewöhnt, daß Toombs sagte, was zu geschehen hatte, deshalb war er aus Prinzip gegen den Vorschlag seines Freundes. »Später!« sagte er störrisch.
Toombs schaute sich furchtsam um. Er fröstelte. »Merkst du denn nicht, wie unheimlich es hier ist?«
Legger lachte kratzend. »Mach dich doch nicht lächerlich, Sam.«
»Diese Stille…«
»Ihretwegen sind wir hier, weil sie unseren Nerven guttut. Was hast du gegen sie?«
Toombs stellte seinen Korb ab und trat einen Schritt näher an den Freund heran. Er blickte Legger mit großen Augen an. »Bob, diese Stille ist nicht normal. Kein Blatt bewegt sich. Kein Vogel zwitschert. Es gibt hier überhaupt kein Geräusch.«
Legger nickte ärgerlich. »Das sieht dir mal wieder ähnlich, du erfährst von irgendeinem Verrückten, daß man diesen Wald den Wald der tausend Ängste nennt, und schon fängt deine Phantasie zu spinnen an. Gleich wirst du Gespenster sehen…«
»Ich fühle, daß an der Geschichte, die uns dieser Mann erzählt hat, etwas dran ist, Bob. Wir sollten keinen Schritt mehr weiter gehen. Glaub mir, wir begeben uns in große Gefahr, wenn wir nicht umkehren. Solche Dinge erzählen sich die Leute nicht von ungefähr. Ich gebe zu, daß sie möglicherweise stark aufgebauscht werden, aber hinter alledem bleibt ein wahrer Kern, den wir besser nicht unbeachtet lassen sollten.«
Legger sah seinen Freund verdrossen an. »Ich finde, jetzt hast du lange genug dummes Zeug geplappert, Sam! Willst du nun endlich wieder deinen Korb aufnehmen und weitergehen?«
Zum erstenmal in seinem Leben widersprach Sam Toombs dem Freund mit einer Heftigkeit, die diesen erstaunte. »Nein, Bob. Mein Weg endet hier. Ich kehre um. Wenn du unbedingt in dein Verderben rennen möchtest, dann tu’s allein. Mit mir kannst du diesmal nicht rechnen.«
Legger wollte sich diesen Ton nicht bieten lassen. Er pumpte seine Lungen voll und hatte die Absicht, Sam Toombs mit einer Lautstärke, die den Freund einschiichtem würde, loszubrüllen, doch dazu kam es nicht.
Toombs Augen weiteten sich in diesem Moment in namenlosem Grauen. Er wurde schlagartig bleich. Seine zitternde Hand wies an Bob Legger vorbei. Mit krächzender Stimme stieß er fassungslos hervor: »Bob! Großer Gott, Bob, sieh doch nur!«
Legger drehte sich gereizt um - und dann fuhr auch ihm jäh ein Eissplitter ins Herz…
***
Mitten im dichten Wald, am Ende der Senke, in der sich Bob Legger und Sam Toombs befanden, flimmerte plötzlich die Luft, und aus diesem Flimmern kristallisierte sich in Gedankenschnelle etwas großes Bleiches. Es war riesig wie
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