GK255 - Die Geisterrocker
Perkins ihm die Flasche lachend wegnahm. »He, he, he, laß mir auch noch was übrig.«
»Entschuldige Ed, aber ich konnte einfach nicht aufhören«, feixte Curdy Maurer.
Während Perkins schwungvoll die Flasche an die Lippen setzte, blickte sich Maurer unbewußt um.
Irgend etwas irritierte ihn, aber er vermochte nicht zu sagen, was es war. Vielleicht diese seltsame Nebelschwade dort, die schwer auf dem Boden lag und allmählich zu wachsen anfing? Die undurchdringliche Schliere breitete sich aus und begann sich aufzutürmen.
»Eigenartig«, sagte Curdy Maurer und schüttelte den Kopf.
Perkins setzte die Flasche ab. »Was ist eigenartig?« fragte er, während er den Korken wieder in den Flaschenhals klopfte.
»Ach nichts. Ich hab’ bloß laut gedacht«, erwiderte Maurer und hob die Schultern.
»Meinst du den Nebel dort?« fragte Ed Perkins. »Der kommt auch mir komisch vor. Hat sich buchstäblich aus dem Nichts gebildet. War plötzlich da. Zuerst nur so groß wie eine Männerfaust…«
»Und jetzt schon so groß, daß zehn Männer darin verschwinden könnten«, sagte Maurer gepreßt. »Das gefallt mir nicht, Ed. Ich weiß nicht, wieso ich plötzlich Angst habe, ich weiß nur, daß es so ist.«
Aus der Nebelbank drang plötzlich das dumpfe Knurren eines Motors. Ein zweiter Motor fing zu knattern an. Dann ein dritter…
Perkins stieß seinen Kumpan mit dem Ellenbogen an. »Hörst du das?«
»Ich sitz’ ja nicht auf den Ohren.«
»Was ist das?«
»Dämliche Frage«, sagte Curdy Maurer ängstlich. »Motorenlärm ist das.«
Boshaftes Gelächter, Pfiffe, Schreie drangen aus der undurchdringlichen Wolke.
»Mir ist das nicht geheuer«, flüsterte Ed Perkins zitternd.
»Mir auch nicht«, raunte Maurer zurück.
Das Röhren der Motoren wurde lauter, und einen Augenblick später durchstieß die erste Maschine das Nebelfeld. Es war eine Münch 4 1200 TTS, eines der heißesten Eisen, die Maurer, der sich mit Motorrädern ein bißchen auskannte, je gesehen hatte. Yamahas, Kawasakis, eine Norton und eine Moto Guzzi V 7 Sport 750 jagten hinter der Münch her.
Im Sattel der schweren Motorräder saßen in schwarzes Leder gekleidete Rocker, deren Köpfe in voluminösen Sturzhelmen steckten.
Ed Perkins blieb mit einemmal beinahe das Herz stehen. »Ich werd’ verrückt!« stieß er entsetzt hervor.
Curdy Maurer nickte beipflichtend. »Ich auch, Ed. Ich auch.« Er hatte daselbe gesehen wie sein Freund.
Die Hände, die die Gasgriffe der Maschinen gedreht hatten, waren Totenhände gewesen. Ohne jegliches Fleisch. Knochige, skelettierte Hände waren es gewesen.
Curdy Maurer schielte mißtrauisch nach Ed Perkins’ Flasche. »Mensch, Eddie, was haben wir beide da bloß getrunken?«
***
Frank Esslin war einunddreißig, sehr elegant und sehr hager. Wenn er für die WHO unterwegs war, beschränkten sich seine Aufgaben zumeist auf sein Fachgebiet, die Tropenmedizin. Es kam aber auch schon mal vor, daß er die fünf Erdteile in anderer Mission bereiste.
Wie versprochen, holte er uns vom La Guardia Airport ab. Er reichte mir und Mr. Silver die Hand und entschuldigte sich wegen des Anrufs, den er uns gern erspart hätte.
Ich sagte ihm, daß ich davon kein Wort mehr hören wolle, er nahm es nickend zur Kenntnis und hielt sich daran.
Wir trugen unser Gepäck zu seinem Wagen.
»Sind die Rocker inzwischen wieder aufgetaucht?« wollte Mr. Silver, der von mir noch im Hotel gründlich informiert worden war, wissen.
»Zum Glück noch nicht«, antwortete Frank. »Aber ich bin nicht der einzige in dieser Stadt, der sicher damit rechnet, daß es schon bald passieren wird.« Er schwang sich hinter das Steuer. Ich setzte mich neben ihn. Mr. Silver kletterte in den Fond. Frank ließ den Wagen anrollen. »Ihr werdet selbstverständlich in meinem Haus wohnen.«
»Wozu denn diese Umstände?« sagte ich.
»Kannst du mir erklären, wozu die Gästezimmer da sind, wenn sie nicht benutzt werden?«
Auf der Fahrt nach College Point berichtete uns unser Freund, was sich hinter den Kulissen seit dem Verschwinden der sieben Rocker alles abgespielt hatte. Große Hektik herrschte im gesamten New Yorker Polizeiapparat. Ich war erstaunt darüber, daß Frank so gut über diese Dinge Bescheid wußte. Er lüftete sein Geheimnis, indem er sagte: »Ich bin mit dem Polizeichef von New York City, Larry Crandall, befreundet. Alle meine Informationen beziehe ich von ihm. Natürlich dürfte ich über diese Quelle nicht reden, und ich mach’ auch nur bei
Weitere Kostenlose Bücher