GK317 - Das zweite Leben der Marsha C.
Lage war hoffnungslos!
Der Engel des Todes setzte sich langsam in Bewegung. Ohne Eile kam Marsha Caan auf ihr Opfer zu.
»Glenn!« brüllte Clark Kenna aus Leibeskräften. »Glenn, zu Hilfe! Glenn!«
Doch Marsha lachte leise und sagte: »Glenn kann Ihnen nicht helfen, Mr. Kenna. Kein Mensch kann jetzt noch etwas für Sie tun.«
***
Glenn Gibbon zündete sich eine Zigarette an. Er rauchte, pumpte den blauen Dunst bis in die Lungenspitzen hinunter, war bemüht, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Atkins und Parnaby lebten nicht mehr. Und nun hatte sich Marsha Caan Clark Kenna aufs Korn genommen. Wenn dieser verfluchte Todesengel in diesem Tempo weitermachte…
Es war Zeit, daß Tony Ballard sich um das Mädchen kümmerte. Sie durfte keinen weiteren Mord mehr begehen.
Gibbon nahm noch einen letzten Zug von seiner Zigarette. Dann drückte er sie im Aschenbecher aus, rückte seine Hornbrille zurecht und begab sich zum Telefon.
Ehe er den Hörer abnehmen konnte, begann Clark Kenna im Gästezimmer zu schreien.
»Glenn! Glenn, zu Hilfe! Glenn!«
Gibbon überlief es eiskalt. Befand sich Marsha Caan in seinem Penthouse? Er stürmte los, jagte aus dem Living-room, hetzte durch die Diele, erreichte die Tür des Gästezimmers.
Kampflärm drang aus dem Raum.
Glenn Gibbon stürzte sich auf den Türknauf. Er war eiskalt und ließ sich nicht drehen.
»Glenn! Um Gottes willen, so hilf mir doch!« brüllte Kenna.
»Ich bin hier, Clark!« schrie Gibbon aufgeregt. »Ich krieg’ die Tür nicht auf!«
»Glenn, sie will mich umbringen!«
Gibbon schauderte. Er warf sich mehrmals ungestüm gegen die Tür. Ohne Erfolg. Er trat mit voller Wucht gegen das Holz. Normalerweise hätte die Tür bei dieser Krafteinwirkung aufspringen müssen, doch sie hielt Gibbons Tritten stand.
Marsha Caan hatte sie mit einer magischen Sperre versehen, die Glenn Gibbon nicht durchbrechen konnte.
Keuchend und in Schweiß gebadet rannte er immer wieder gegen die Tür. Vergeblich. Es war ihm unmöglich, seinem Freund in diesem lebensgefährlichen Augenblick beizustehen.
In ohnmächtiger Wut ballte Glenn Gibbon die Hände.
Er konnte nichts von dem verhindern, was jenseits der Tür passierte, war zur Tatenlosigkeit verurteilt, bekam akustisch den Mord an Clark Kenna von Anfang an mit.
Kenna flehte und bettelte um sein Leben, doch Marsha Caan kannte keine Gnade. Gibbon hörte, wie sein Freund nach Luft rang, als sich die Hände des Todesengels um seine Kehle legten.
Grauenhafte Minuten verstrichen für Glenn Gibbon.
Er hörte, wie Clark Kennas Körper dumpf zu Boden fiel. Dann folgte eine Stille, die für Gibbon noch viel schlimmer war als zuvor die Geräusche.
Wie erschlagen stand Glenn Gibbon da. Er hatte das Gefühl, sich nie mehr rühren zu können. Verdattert starrte er die Tür an, die ins Gästezimmer führte und die er nicht öffnen konnte.
»Clark!« rief er heiser, obwohl er zu wissen glaubte, daß der Freund nicht mehr lebte. »Clark! Hörst du mich?«
Vollkommen ratlos stand Glenn Gibbon vor der Tür. Clark antwortete nicht. Er konnte nicht mehr antworten. Marsha Caan hatte ihm das Leben genommen, wie sie es angekündigt hatte.
Zaghaft griff Gibbon noch einmal nach dem Türknauf.
Diesmal war er nicht kälter als sonst, und er ließ sich ohne den geringsten Widerstand drehen. Die Tür ließ sich öffnen, als wäre sie niemals abgesperrt gewesen.
An Glenn Gibbons Hals zuckten die Schlagadern.
In seinem Kopf fuhren die Gedanken Karussell. Mit großem Unbehagen betrat er das Gästezimmer. Er befürchtete, daß Marsha Caan sich auf ihn stürzen würde, doch das Mädchen befand sich nicht im Raum.
Clark Kenna war allein.
Allein und tot!
Sein Gesicht war von Grauen und Todesangst verzerrt. Die gebrochenen Augen starrten zur Decke…
***
Wir brachten unser Gepäck in die Gästezimmer. Anschließend setzten wir uns zu einem Begrüßungsschluck im Living-room zusammen.
Ich nippte genießerisch an meinem Pernod, während Frank Esslin sagte: »Ich werde veranlassen, daß die Personen, deren Leben von Marsha Caan bedroht ist, sich um zwanzig Uhr hier einfinden, damit du mit ihnen wirksame Schutzmaßnahmen besprechen kannst.«
Ich nickte. »Ist gut, Frank.«
»Mit Gloria Devon habe ich bereits telefoniert. Sie wird etwas früher als die anderen hier sein, weil sie nicht so lange bleiben kann. Warum, weiß ich nicht. Sie wird es uns sagen, wenn sie hier ist.«
Frank Esslin holte einen Stadtplan.
Er breitete ihn auf dem Tisch vor uns aus
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