GK334 - Im Tal der Vampire
zweimal blitzschnell zu: »Der und der!« sagte sie aufgeregt.
»Gay Douglas und Steve Dava!« sagten die Beamten. »Zwei seit langem in der ganzen Welt gesuchte Verbrecher! Die Passagierliste führt sie als Tony Fender und Hank Collins.«
Nun war es zur Gewißheit geworden: Vickys Instinkt hatte sie nicht getrogen.
***
Der Dschungel um uns herum lebte. Es war Abend. Wir waren nur sehr schleppend vorangekommen. Der verwucherte, zugewachsene Pfad war kaum zu erkennen. Wir mußten uns jeden Meter mühsam erkämpfen. In vier Stockwerken baute sich der Wald, der uns umgab, auf. Das unterste Stockwerk wurde von Kräutern und Kriechpflanzen gebildet. Die nächste Etage stellten Sträucher von einigen Metern Höhe und die Jungbäume. Die dritte und Hauptstufe bestand aus den ausgewachsenen Bäumen, die durchwegs dreißig bis vierzig Meter hoch waren, und deren Kronen sich zu einem welligen und wie bewegt erscheinenden Walddach zusammenschlossen. Das vierte Stockwerk hätte man als Turmregion bezeichnen können. Es wurde nämlich von vereinzelt stehenden und über dieses Dach emporragenden Baumriesen gebildet, die Höhen bis zu siebzig Metern erreichten. Die pfeilartigen Stämme dieser Giganten wurden von mächtigen Brettwurzeln gestützt, die den Stamm fächerartig umstanden. Armdicke Lianen schlangen um Stämme und Kronen ihr fast eisenhartes Geflecht. Zahllose Schmarotzer, besonders Orchideen, siedelten auf den Bäumen.
Wir hatten aus dieser dichten Wildnis einen Rastplatz herausgeschnitten.
Ein Feuer brannte. Alle hatten sich darum herum gruppiert. Männer und Frauen waren todmüde.
Unsere Kleider waren zerfetzt. Dornen und Widerhaken an Pflanzen hatte sich in die Stoffe gekrallt und sie nicht mehr losgelassen.
An einem kleinen Tümpel hatte ich mit Douglas Pistole zwei Reiher erlegt. Nun befanden sich nur noch zwei Kugeln in der Waffe.
Wir hatten die Reiher gebraten und gegessen. In allen Gesichtern war deutlich der Schock zu erkennen, den die Leute noch nicht abgelegt hatten.
Zwanzig Überlebende.
Wie viele würden übrig sein, wenn wir diese grüne Hölle hinter uns gebracht hatten?
Robert Bacall setzte sich neben mich. »Sie sind verbittert, nicht wahr?«
»Ja!« knurrte ich.
»Weshalb?«
»Ihr hättet den Mann nicht töten dürfen.«
»Ich habe nicht mitgemacht!« verwahrte sich der Komponist. Er hatte ein scharf geschnittenes Profil und feinnervige Hände. Seine Schläfen waren grau. Obgleich auch seine Kleider zerfetzt waren, wirkte er immer noch elegant. »Ich habe meine Hand nicht gegen den Mann erhoben.«
»Aber die anderen…«
»Sie waren schrecklich aufgebracht. Sie dürfen den Leuten nicht böse sein, Mr. Ballard. Ich kann sie verstehen.«
»Wir werden nun niemals erfahren, weshalb diese ganze verrückte Flugzeugentführung stattgefunden hat.«
Robert Bacall hob die Schultern. »Wer weiß. Vielleicht erfahren wir es doch noch.«
Ich schaute mich um. Dort drüben, hinter den hochzüngelnden Flammen des Lagerfeuers saß Mia Cicci auf dem Boden. Bernd Prack hatte ihr sein Jackett gegeben, weil sie mehrmals gefröstelt hatte. Er küßte sie. Dann streichelte er zärtlich ihre Wange. Bruno Pavarotti, ein sportgestählter Mann mit Amboßkinn und fleischiger Nase, versuchte vor allem den Frauen Mut zuzureden. Man brauche sich keine Sorgen zu machen. Man besäße einen ortskundigen Führer, den Missionar. Und man hätte einen mutigen Anführer und Beschützer: Tony Ballard. Es könne überhaupt nichts schiefgehen.
»Überlegt doch!« rief der Diamantenhändler in die Runde. »Haben wir nicht trotz allem mehr Glück als die Leute, die im Flugzeug verbrannten? Ich bin sicher, daß wir dieses schlimme Abenteuer doch noch alle gut überstehen werden… Was wir brauchen ist Mut und Zuversicht. Dann können wir dem Dschungel trotzen…«
Ein Mädchen namens Susan Boyd schüttelte verzweifelt den Kopf. »Nein. Nein. Nein. Der Urwald wird uns umbringen. Einen nach dem anderen. Wir hätten beim Flugzeug bleiben sollen.«
»Dort hätte uns der Hitzschlag getroffen!« widersprach Pavarotti. »Glauben Sie mir, Susan, hier im Dschungel sind wir so gut aufgehoben wie in Abrahams Schoß.«
Bacall erhob sich. Er raunte mir zu: »Ich habe das Gefühl, Pavarotti glaubt selbst nicht, was er da redet.« Der Dirigent zog sich zurück. Wenig später nahm Bruno Pavarotti seinen Platz neben mir ein.
»Ihre Rede war gut«, lobte ich den Italiener.
»Finden Sie?«
»Sie nicht?«
»Ich wäre schon zufrieden, wenn
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