GK346 - Die Rache des Magiers
Hause. Für einen Shilling verrate ich Ihnen, wo sie arbeitet.«
»Du bist eine sehr geschäftstüchtige junge Dame.«
»Ich möchte einmal ganz, ganz reich werden.«
»Das schaffst du bestimmt«, sagte ich, gab der niedlichen Kleinen fünf Shilling - wofür sie mir sogar ihren Namen nannte - und erfuhr dann, daß Grace Roundtree in einem kleinen Hamburgerladen in der Charles Street arbeitete.
Das war gleich um die Ecke. Ich ließ meinen Wagen stehen und legte das kurze Stück Weg zu Fuß zurück.
Drei Girls bedienten in dem Laden. Aber nur eine von ihnen war schwarz. Ich trat vor sie hin, zückte meine Privatdetektivlizenz und sagte: »Miß Roundtree? Kann ich Sie einen Augenblick sprechen?«
Sie nickte. Ich sah in ihre rot geränderten Augen und wußte, daß sie lange um ihren Bruder geweint hatte.
Sie führte mich in einen Raum, in dem wir ungestört waren. In einer Ecke lehnten die Reinigungsgeräte. Es gab einen Tisch und zwei Stühle. Mehr nicht.
»Mein Name ist Ballard«, sagte ich. »Tony Ballard.«
Sie nickte wieder. »Das steht auf Ihrem Ausweis.«
»Ich sagte es nur für den Fall, daß Sie’s nicht lesen konnten.«
Grace Roundtree warf mir einen aggressiven Blick zu. »Halten Sie alle Neger für Analphabeten, Mr. Ballard?«
»Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
»Wer hat Sie engagiert?«
»Niemand«, sagte ich. Das stimmte nicht ganz, denn ich war von Tucker Peckinpah auf Dauer engagiert. Damit hatte ich die Verpflichtung übernommen, mich jener Fälle anzunehmen, die auf einen übersinnlichen Background schließen ließen.
Manchmal trat so etwas nicht sofort offensichtlich zutage. Da mußte man erst schürfen, um die wahren Hintergründe freizulegen.
Grace senkte den Kopf. Tränen traten in ihre Augen. Sie war eine hübsche Negerin, sah aus wie eine Puppe.
»Ich erkannte meinen Bruder nicht wieder«, sagte sie leise. »Es war schrecklich.«
»Ich möchte aufklären, warum er ermordet wurde und wer diese bestialische Tat verübt hat«, sagte ich. »Können Sie mir dabei helfen?«
Grace schaute mich unsicher an. »Ich wüßte nicht, wie!«
»Indem Sie mir ein paar Fragen beantworten«, sagte ich. »Ich komme gerade von Lionel McKern. Er sagte, er habe mit Ihnen gesprochen.«
»Das stimmt.«
»Sie erwähnten, daß Samsons Freunde nicht nach Ihrer Vorstellung waren. Wer sind diese Männer?«
»Ich kenne sie nicht.«
»Sie urteilen über sie, ohne sie zu kennen?« fragte ich erstaunt.
»Es ging aus den Äußerungen meines Bruders hervor, daß sie kein guter Umgang für ihn waren.«
»Was für Äußerungen waren das konkret?« wollte ich wissen.
»Samsons Freunde hatten gefährliche Ansichten.«
»Worüber?«
»Über alles. Über das Leben. Über die Religion. Über den Tod. Ich kann nicht wiedergeben, was ich zwischen den Silben heraushörte. Mir war nur klar, daß mein Bruder nicht zu diesen Leuten paßte. Dennoch fühlte er sich zu ihnen hingezogen.«
»Traf er sich oft mit ihnen?« fragte ich.
»Keine Ahnung. Ich spionierte Samson nicht nach.«
»Haben Sie ihm Ihre Ansicht über seine Freunde nicht klargemacht?«
»Nein. Er wollte davon nichts hören.«
»Er hatte keinen Job«, sagte ich.
»Er wurde entlassen.«
»Aus welchem Grund?«
»Er trank während der Arbeit und war hinter der Tochter des Chefs her. Das hat dem weißen Mann nicht gefallen. Er hat Samson kurzerhand hinausgeschmissen, obwohl mein Bruder überdurchschnittliche Arbeit leistete.«
»Warum machen Sie aus allem ein Rassenproblem, Miß Roundtree?«
»Weil es eines ist.«
»Ihr Bruder wäre vermutlich auch gefeuert worden, wenn er eine weiße Hautfarbe gehabt hätte.«
»Das läßt sich nicht beweisen«, behauptete Grace Roundtree verbittert. Sie schluchzte erstickt auf, suchte nach einem Taschentuch. Ich gab ihr meines. Sie putzte sich die Nase. »Vor ein paar Tagen…«, begann sie schleppend, »sagte Samson, es würde bald alles anders werden.«
»In welcher Beziehung?« wollte ich wissen.
Grace zuckte mit den Schultern. »In jeder. Ich wollte wissen, was er vorhatte, doch er zog mich nicht ins Vertrauen. Aber er sagte etwas, das mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte: ›Es gibt keine Ungerechtigkeit mehr auf der Welt, wenn man sich unter den Schutz des Totenvogels stellt.‹ Das waren seine Worte. Ich ahnte, daß das nichts Gutes zu bedeuten hatte und versuchte Samson zu überreden, die Finger von dem zu lassen, was er sich offenbar vorgenommen hatte. Aber er hörte nicht
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