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GK460 - Das Geisterdorf

GK460 - Das Geisterdorf

Titel: GK460 - Das Geisterdorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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verlegen auf die zerkratzte Tischplatte.
    »Haben Sie Kummer?« fragte Bischof Avery.
    Pater Morton schüttelte langsam den Kopf. »Nein, es ist nicht Kummer…«
    »Was ist es dann?«
    Pater Morton blickte seinem Vorgesetzten voll in die Augen. »Angst. Es ist Angst.«
    »Wovor fürchten Sie sich?«
    »Ich kann es nicht definieren. Es begann vor etwa einem Jahr. Damals fingen mich schreckliche Ahnungen zu plagen an. Ich fürchtete um die Zukunft dieses Dorfes, aber es gab nichts Greifbares, auf das ich hätte eingehen können. Ich fühlte nur, daß auf Seltrick schreckliche Dinge zukommen würden, daß das Böse in unser Dorf einziehen würde. Ich wollte Seltrick sauberhalten, wollte es vor einem solchen Schicksal bewahren. Aber was tut man gegen eine Bedrohung, die man nicht definieren, nicht erkennen kann? Ich fühlte mich zu schwach für eine so große Aufgabe, versuchte, meine Angst vor dem Ungewissen mit Alkohol zu betäuben, geriet dabei aber in einen furchtbaren Teufelskreis, denn meine Unsicherheit wuchs, und ich trank immer mehr, um über sie hinwegzukommen. Bald wurde mir klar, daß ich den falschen Weg eingeschlagen hatte, aber ich konnte nicht mehr umkehren.«
    »Hat sich Ihre Ahnung denn erfüllt?« erkundigte sich Bischof Avery.
    »Zunächst geschah nichts, aber das beruhigte mich nicht. Im Gegenteil, dieser falsche, verlogene Friede peinigte mich, ließ mich nachts nicht zur Ruhe kommen. Ich glaubte zu wissen, daß das Böse Pläne mit Seltrick hatte, und ich fürchtete mich vor dem Tag, an dem es sie ausführen würde.«
    »Ist es mittlerweile dazu gekommen?«
    »Ja.«
    »Was ist passiert?« wollte der Bischof gespannt wissen.
    »Vier Männer verschwanden spurlos. Die letzten beiden in der vergangenen Nacht. Ihr Verschwinden hat mit meiner Ahnung zu tun, ich weiß es, kann es jedoch nicht beweisen…«
    Pater Morton wurde unterbrochen. Jemand stieß die Tür auf. Sie krachte gegen die Wand. Ein bleicher Mann stürzte herein. »Pater! In Wyngards Druckerei passiert etwas Schreckliches! Clytie Wyngard hat wie am Spieß geschrien!«
    Der Pfarrer sprang erschrocken auf. Er schaute den Bischof an. »Martin Wyngard ist gestern nacht verschwunden«, erklärte er.
    Auch der Bischof erhob sich. »Wir wollen gleich mal nach dem Rechten sehen.«
    ***
    Bischof Avery eilte auf die Tür zu, die in die Druckerei führte. Ein paar alte Männer und Frauen standen davor. Niemand hatte den Mut hineinzugehen. Auch Pater Morton wurde angst und bange, und er war sichtlich froh, als der Bischof zu ihm sagte: »Bleiben Sie hier, Pater. Ich begebe mich allein in die Druckerei.«
    »Seien Sie um Himmels willen vorsichtig!« sagte Pater Morton heiser.
    Der Bischof erreichte die Tür.
    Als er sie öffnete, flüsterte der Pfarrer: »Gott sei mit Ihnen.«
    Unerschrocken trat Bischof Avery ein. Mit festem Schritt stürmte der wohlbeleibte Mann vorwärts. Im Hintergrund des Saales ratterte und rumpelte eine Druckmaschine, und nicht weit von der Tür entfernt kämpfte eine Frau verzweifelt um ihr Leben.
    Aber gegen wen?
    Der Bischof riß erstaunt die Augen auf. Ein Mann aus Stein wollte die Frau erwürgen. Höllenkräfte mußten hier am Werk sein. Und gegen die Macht der Finsternis wirkte das Kruzifix, das Bischof Avery um den Hals trug. Das geweihte Kreuz versinnbildlichte das Gute. Höllenschergen vermochten seinen Anblick kaum zu ertragen, und eine Berührung damit war für viele von ihnen tödlich.
    Entschlossen ergriff der Bischof sein Kreuz.
    Er eilte auf das Steinmonster und die Frau zu.
    »Im Namen Gottes!« rief er mit donnernder Stimme und hob das Kruzifix hoch.
    Der Steinerne ließ von Clytie Wyngard ab. Er drehte sich fauchend um. Als er das Kreuz erblickte, verzerrte sich sein Gesicht in wilder Panik. Er riß beide Hände hoch und verbarg sein Antlitz dahinter.
    »Im Namen der dreieinigen Heiligkeit, weiche!« schleuderte der Bischof dem Steinernen entgegen.
    Martin Wyngard mußte tatsächlich zurückweichen. Er stieß grauenerregende Laute aus. Clytie sank am Spind langsam zu Boden. Sie hustete, japste gierig nach Luft und massierte weinend ihren schmerzenden Hals.
    Indessen trieb Bischof Avery das Steinmonster immer weiter zurück. Er versuchte, den Unheimlichen in eine Ecke zu manövrieren, damit er nicht mehr ausweichen konnte, doch Wyngard durchschaute die Absicht des kirchlichen Würdenträgers rechtzeitig. Er fintierte, tat so, als würde er den Bischof angreifen, und Avery fiel darauf herein. Er zuckte zurück.

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