GK460 - Das Geisterdorf
weiter und legte ihre Hand auf Gilmores Stirn. Sie fühlte sich warm an. Folglich konnte der Bürgermeister nicht tot sein.
»Dem Himmel sei Dank«, flüsterte die Putzfrau.
Sie rüttelte Gilmore - so lange, bis seine Lider zuckten und er die Augen öffnete.
Er schaute die Frau verwirrt an.
»Gott, bin ich froh«, sagte sie und atmete erleichtert auf. »Ich dachte schon, der Schlag hätte Sie getroffen.«
Gilmore setzte sich auf. Ein höllischer Schmerz brannte in seinem Hals. Er hatte Beschwerden beim Schlucken.
»Als Sie hier hereinkamen, war ich da allein?« fragte der Bürgermeister.
»Aber ja, wer hätte bei Ihnen sein sollen?«
»Haben Sie niemanden gesehen?«
»Nein, keine Menschenseele. Nahezu alle Dorfbewohner befinden sich doch beim Haus des Druckers. Was ist passiert?«
Gilmore erhob sich. Er blieb der Frau die Antwort auf diese Frage schuldig.
»Sie sollten den Arzt aufsuchen«, riet sie ihm. »Ist Ihnen schon mal schwarz vor den Augen geworden? Oder war es heute zum erstenmal? So etwas sollte man nicht unterschätzen. Vielleicht ist Ihr Blutdruck zu hoch -oder zu niedrig. Sie müssen unbedingt etwas dagegen tun.«
»Vielen Dank für den Rat, ich werde ihn beherzigen«, sagte Gilmore und hob sein Gewehr auf. Während er sich bückte, erfaßte ihn Schwindel, und alles drehte sich. Er richtete sich ächzend auf.
»Was haben Sie denn mit dem Gewehr vor?« fragte die Putzfrau.
»Ich gehe auf die Jagd«, erwiderte Gilmore und holte die Patronen. Dann verließ er sein Büro, während in seinem Kopf sich die Gedanken überschlugen. Es ging rund in seinem kleinen, bisher friedlichen Dorf. Soviel Aufregung hatte es in Seltrick noch nie gegeben.
Männer verschwanden spurlos.
Einer von ihnen tauchte als Steinmonster wieder auf.
Und dann noch diese Mordanschläge!
Barton Gilmore fragte sich, aus welchem Grund er hätte sterben sollen. Etwa deshalb, weil er Professor Selby und Tony Ballard nach Seltrick geholt hatte? Wem behagte dieser Schachzug nicht? Gilmore erinnerte sich, daß er mit einigen Leuten darüber gesprochen hatte. Aber wer konnte dahinterstecken?
***
Der Steinerne sprang mich mit hocherhobenen Armen an. Er wuchtete sich mir mit großer Kraft entgegen. Ein tierhaftes Knurren entrang sich seiner Kehle, während sich das Gesicht zu einer grauenerregenden Fratze verzerrte.
Ich federte zur Seite.
Das Steinwesen versuchte, mich mit beiden Händen zu packen, drehte sich. Seine Finger erwischten meine Schulter. Der Druck der Hände war so schmerzhaft, daß ich beinahe aufgeschrien hätte.
Blitzschnell riß ich mich von ihm los, indem ich meinen Oberkörper nach links auspendelte. Gleichzeitig knickte ich in den Knien leicht ein. Die harten Finger glitten von mir ab. Ich fintierte, aber mein Gegner ließ sich nicht täuschen. Er schickte seine Steinfaust auf die Reise.
Wenn ich nicht ein so geschultes Auge gehabt hätte, hätte mir der Kerl wahrscheinlich den Kopf von den Schultern geschlagen. So aber puffte sein Schlag ins Leere.
Ich kam an die Reihe.
Geduckt wuchtete ich mich dem Steinernen entgegen. Er sollte Bekanntschaft mit meinem magischen Ring machen, den ich an der rechten Hand trug und der das Gute in mir um ein Vielfaches verstärkte. Es wäre schlimm gewesen, wenn diesen Ring ein schlechter Mensch oder gar ein Dämon in seinen Besitz gebracht hätte, denn der Ring hätte auch deren Eigenschaften verstärkt.
Das Steinmonster schien die gefährliche Kraft zu wittern, die in meinem Ring steckte.
Es warf sich zur Seite, knallte gegen den Felsen, was sich so anhörte, als würde man zwei Feuersteine aufeinanderschlagen, rutschte seitlich ab und fiel zu Boden.
Mein Ring verfehlte ihn.
Aber ich setzte sogleich nach.
Kraftvoll hechtete ich hinter meinem Gegner her. Waagerecht flog ich durch die Luft. Der Steinerne wälzte sich über den Boden zur Seite. Ich erwischte ihn nur mit der linken Hand, versuchte, ihn zurückzureißen, doch er schüttelte mich mühelos ab und sprang sofort wieder hoch.
Sein Fußtritt machte mir arg zu schaffen. Ich hatte das Gefühl, mehrere Rippen wären gebrochen. Die Luft wurde in meinen Lungenflügeln gepreßt. Das- stach höllisch. Ich biß die Zähne zusammen und stellte mich trotzig meinem Gegner. Herrgott noch mal, ihm mußte doch beizukommen sein!
Eine Bewegung hinter dem Steinernen!
Das war Lance Selby!
Ich sah, wie der Parapsychologe sein Hemd öffnete und sein Lederamulett hervorholte. Der kleine Lederbeutel war mit verschiedenen
Weitere Kostenlose Bücher