GK467 - Der Killer-Geist
aus.
***
Mr. Silver trat an den weißen Peugeot 504 TI seines Freundes. Er bückte sich und warf einen Blick in das Fahrzeug. Es war leer. Keine Menschenseele befand sich mehr auf der Straße. Die Leute, die sich Jir Karobecs Vorstellung angesehen hatten, waren bereits nach Hause gefahren.
Der Ex-Dämon versuchte seine eigene übersinnliche Antenne zu aktivieren. Seit er Roxane verloren hatte, hatte er seine übernatürlichen Fähigkeiten nicht mehr benützt.
Er tastete seine Umgebung ab, konnte jedoch kein warnendes Echo auffangen. Dennoch blieb er auf der Hut. Er ging um den Peugeot herum, peilte nach allen Seiten und umrundete sogar einmal den Block.
Nichts Verdächtiges fiel ihm auf, deshalb kehrte er in das Varietétheater zurück. In Jir Karobecs Garderobe traf er nur noch den Zigeuner an.
»Wo ist Tony Ballard?« fragte der Hüne mit den Silberhaaren erstaunt.
Jir Karobec schaute ihn groß an. »Sind Sie ihm nicht begegnet?«
»Nein.«
»Mich traf ganz unvermittelt ein Impuls, der von Miles Manda ausgesandt worden war. Ich mußte Mr. Ballard eine Botschaft übermitteln.«
»Welchen Inhalts?« fragte der Ex-Dämon schnell.
»Manda teilte Ihrem Freund mit, daß er zum Kampf gegen ihn bereit wäre.«
»Und?«
»Er sagte, er würde am Grosvenor Square auf ihn warten. Kaum war die Nachricht aus meinem Mund, da stürzte Mr. Ballard schon davon.«
»Ohne mich zu informieren?« fragte Mr. Silver verwundert.
Jir Karobec hob die Schultern. »Er hatte es schrecklich eilig. Das Jagdfieber muß ihn gepackt haben.«
»Ich werde ihn trotzdem nicht die Suppe allein auslöffeln lassen«, bemerkte Mr. Silver entschlossen. Er wandte sich um.
»Seien Sie vorsichtig, Mr. Silver«, riet ihm der Zigeuner. »Der Mörder mit der Geisterschlinge kann auch Sie töten.«
Der Hüne mit den Silberhaaren bleckte die Zähne. »Also das wage ich stark zu bezweifeln«, sagte er und stürmte davon.
Jir Karobec rieb sich grinsend die Hände. Ein böses Lachen drang aus seinem Mund. Er stand immer noch unter Miles Mandas gefährlichem Einfluß. Es freute ihn, daß er die beiden Dämonenjäger so geschickt ausgetrickst hatte.
***
»Polizei!« rief jemand. »Die Polizei muß her!«
»Mein Gott, kann den Toten denn niemand abnehmen?« fragte ein anderer. »Ist ja grauenvoll, ihn einfach hängen zu lassen.«
Fünfzehn, zwanzig Personen umringten Nicola Dunn und Tom Corby, der an der Geisterschlinge hing und sachte hin und her baumelte. Nicola weinte herzzerreißend an der Brust eines fremden Mannes, der nicht wußte, wie er sie beruhigen sollte.
Weitere Neugierige fanden sich ein.
Ein Mann machte seinem Freund die Räuberleiter, dieser stieg hinauf und versuchte, das Tau mit seinem Taschenmesser durchzuschneiden. Es ging nicht. Der Strick war hart wie Eisen.
»Unheimlich ist das«, sagte jemand in Nicolas Nähe. »Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu. Wie die Bullen damit fertigwerden wollen, ist mir ein Rätsel. Die kriegen den Toten ja auch nicht runter. Meine Güte, wenn ich mir vorstelle, daß der Mann bis in alle Ewigkeit hier hängenbleiben muß… Dann hat der Londoner Hafen eine makabre Attraktion. In Scharen werden die Menschen kommen, um sich den Toten anzusehen, der nirgendwo dranhängt.«
Der Mann, der sich Nicola Dunns angenommen hatte, führte sie von Tom Corby weg. »Ich bitte Sie, beruhigen Sie sich, Miß. Wenn Sie so viel weinen, wird das Ganze nicht besser. War er Ihr Freund?«
»Er war der beste Freund meines Bruders«, antwortete Nicola mit tränenerstickter Stimme.
»Wieso hängt er dort oben?«
»Das hat dieser grausame Mörder mit der Geisterschlinge getan!«
»Sie… Sie waren dabei, als es passierte?«
»Zuerst sollte ich durch die Geisterschlinge sterben«, preßte Nicola hervor. »Als Tom mir zu Hilfe eilte, wandte sie sich gegen ihn und erdrosselte ihn.«
Der Mann schüttelte verdattert den Kopf. »Also ich muß ehrlich sagen, das ist mir zu hoch, das begreife ich einfach nicht.«
***
Mr. Silver erreichte den Park am Grosvenor Square. Hier wollte sich Miles Manda Tony Ballard zum Kampf stellen. Der Ex-Dämon konnte im Moment weder seinen Freund noch den Mörder mit der Geisterschlinge sehen.
Wie ein schwarzer Fleck inmitten der Häuser lag der Park vor dem Hünen. Furchtlos betrat der Ex-Dämon die Anlage. An den Ästen der Bäume hing nur noch wenig vergilbtes Laub. Die meisten Blätter lagen auf dem Asphaltweg und in der Wiese.
Mr. Silver schritt aufmerksam durch die Dunkelheit.
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