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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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umgehst, die sich in deine Angelegenheiten mischen?«
»Exakt«, sagte er.
    Sie erreichten den Vorplatz des Gutes, ein Rondell, das groß genug war, um mit einer Kutsche darauf zu wenden. Die Blätterschicht auf dem Boden war knöcheltief, und auf ihr lag wie eine Kruste aus Salzkristallen der Winterreif. Er knirschte unter ihren Füßen.
    Das Gut war auf der Vorderseite von einer massigen Bruchsteinmauer umgeben, mit einem Tor, das durch einen Kämpferstein in Form eines Neptunkopfes gekrönt wurde. Als hätten die glotzenden Steinaugen sie entdeckt und Alarm gegeben, brach hinter der Mauer plötzlich wütendes Gebell los.
    »Das sind sie, die Biesterchen«, stellte Rossi fest.
    Sergio Feretti war ein begeisterter, ja, ein fanatischer Jäger, der kaum eine Woche verstreichen ließ, ohne mit geladenem Gewehr in die westlichen Wälder auszurücken. Seine Hunde züchtete er selbst, und angeblich schlug er eigenhändig die Welpen tot, deren Mangel an Aggressivität ihm missfiel. Das hatte Anita behauptet, die über jeden Einwohner Montecatinis Bescheid wusste, als betriebe sie eine Pfandleihe für Klatsch. Die Hunde, die er heranzog, liebte er heiß und innig. Totbeißer sind das, hatte Anita gesagt. Er füttert sie mit lebendigen Kaninchen, die er von ihnen durch den Hof hetzen lässt. Niemanden wundert, was er mit der armen Signora Brizzi getan hat, auch wenn es natürlich eine schreckliche Sünde ist, jemanden erstechen zu wollen.
    »Wie ist Signora Feretti?«
»Schwer einzuschätzen«, meinte Rossi. »Ich halte sie für ein Gutteil jünger als ihren Mann. Um die vierzig. Sie meidet Gesellschaft, und kaum jemand kennt sie genauer. Nur am Sonntag geht sie zur Kirche.«
Vor Cecilias geistigem Auge erschien eine dünne, farblose Frau, die immer in derselben Kirchenbank saß, abgesondert von der tuschelnden Nachbarschaft. War das Signora Feretti?
Als sie durch das Tor traten, schwoll das Gebell an. Der Innenhof des Guts wirkte vernachlässigt. Schmutzige Körbe, deren Binsen im Regen des Winters gefault waren, stapelten sich in einer Ecke, ein angerostetes Ochsenjoch und mehrere Forken und Spaten, manche mit gebrochenen Stielen, lehnten in einer anderen. Neben dem Haus quoll der Misthaufen über einen Bretterzaun – ein entsetzlicher Gestank ging von ihm aus. Genau über dem Haufen wuchs eine Tonröhre aus dem Haus, durch die offenbar der Abort entsorgt wurde. Verhältnisse, Verhältnisse …
Rossi hockte sich vor den Hundezwinger und begutachtete die Meute, die ihn ankläffte und gegen die Eisenstangen sprang. Der Käfig war direkt an die Außenmauer gebaut, und das hohe Dach deutete darauf hin, dass das Gebäude ursprünglich als Unterstand für Kutschen und Jagdwagen gedient hatte. Aber die vordere Mauer war eingerissen und durch mannshohe Eisenstangen ersetzt worden, sodass man sich vorkam wie vor den Gittern eines Gefängnisses. Eines überfüllten Gefängnisses – es waren wohl zwei Dutzend Tiere in den Zwinger gesperrt.
Cecilia fiel ein gelb gefleckter Bracke auf, der still in einer Ecke kauerte, dabei aber Rossi mit einem seltsam starren Blick im Auge behielt. Geifer sabberte aus seinem Maul, die Muskeln spielten unter dem raubtierhaft anmutenden Fell.
Cecilia fühlte, wie sich ihr Magen auf die Größe eines Kieselsteins zusammenzog. Sie mied den Blick des Bracken, betrachtete ihn nur aus den Augenwinkeln, aber sie konnte die Zähne im geöffneten Maul erkennen. Vorn eher harmlos, weiter hinten wie kleine Krummsäbel. Marios Bisswunden tauchten in ihrer Erinnerung auf und … Skid, sie hatte Angst. Konnten Hunde das riechen? Angst? Großmutters Kutscher hatte einmal so etwas erzählt. Der Bracke knurrte dumpf und grollend, als ziehe in seiner Brust ein Gewitter auf. Panisch suchte Cecilia mit ihren Blicken die Vorderseite des Zwingers nach Schlupflöchern ab.
»Signora Feretti!« Rossi richtete sich auf und schritt einer Frau entgegen, die die Eingangstür öffnete.
Emilia Feretti war tatsächlich die Dame, die Cecilia in der Kirche bemerkt hatte – hoch aufgeschossen, sehr dünn, mit einem krankhaft bleichen Gesicht und tiefschwarzen Haaren, die die Blässe noch betonten. Sie litt an einem Kropf, der besonders auffiel, weil ihr Gesicht eine so ausgeprägte Dreiecksform hatte, dass das Kinn direkt auf den Kropf zuzulaufen schien.
Halblaut gab sie einen Befehl. Die Tiere verstummten und hechelten winselnd an den Eisenstangen entlang.
»Buon giorno, Signora. Ich bin Giudice Rossi, … meine Cousine Cecilia

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