Glaesener Helga
lohnte.
»Komm mit.«
»Wohin?«
»Komm schon.«
Er nahm den Weg durch das westliche Tor. Sie passierten die Burgruine, die diesen Teil der Stadt einmal begrenzt hatte, zwängten sich zwischen kahlen Brombeerbüschen hindurch und stiegen einen Abhang hinab. Die Schuhe sind ruiniert, na schön, dachte Cecilia. Schließlich erreichten sie einen Pfad, der besser ausgebaut war.
»Wo wollen wir hin?«
Rossi marschierte mit ausdrucksloser Miene weiter. Sie erreichten ein Waldstück, von dort ging es auf eine abgelegene Serpentinenstraße. Irgendwann hatten sie ein Gebiet erreicht, das Cecilia völlig unbekannt war. Das Gelände war wieder eben geworden. Auf einer Weide grasten Kühe, dahinter standen Bäume – ein dunkelgrüner Nadelsaum.
»Siehst du sie?«, fragte Rossi. An den Baumwurzeln schnüffelten Schweine, grunzende, riesenhafte Borstentiere mit einer bräunlichen Schieferfärbung der Haut, die durch einen weißen Streifen einmal quer um den Leib unterbrochen wurde. Das mussten die Bänder sein, von denen Zaccaria gesprochen hatte.
» Cinte Senesi . Sie sind nervös.«
»Das sind die Schweine von diesem …?«
»Frido Barone.«
Cecilia sah keine Kadaver, sicher hatten die Bauern
sie bereits verarbeitet. Aber sie meinte bräunliche Flecken auf der Wiese zu erkennen, die vielleicht von getrocknetem Blut stammten. Schaudernd versuchte sie sich die Hunde vorzustellen, die es gewagt hatten, sich an diesen Tieren zu vergreifen. Wölfe, ja, gewiss. Der Wind wehte plötzlich kühler, und sie ertappte sich dabei, wie sie den Waldrand mit den Augen absuchte.
»Schöne Tiere«, sagte Rossi.
»Ich habe in Florenz einen Mann gekannt, der von einem Wildschwein angegriffen wurde. Er hat beide Beine verloren.«
»Die hier sind gefährlicher als Wildschweine.«
Sie gingen weiter, machten einen Bogen um Weide und Wald und erreichten wieder eine Straße.
»Wohin gehen wir?«
»In die Höhle des Löwen. Ich dachte, das würde dir gefallen. Da dir Francescas Wohl so am Herzen liegt.«
Vor ihnen tauchte ein Gutshof auf. Er war auf eine Hügelkuppe gebaut worden und von alten Zypressen umgeben, deren Spitzen weit über die Dächer herausragten. Das Bild wirkte trist aufgrund der winterlichen Kargheit, als hätte ein Maler ein Gemälde ausschließlich mit schwarzen und weißen Farben und deren Mischtönen gemalt. Die Acker, die zum Gut gehörten, sahen aus wie ein graues, krumiges Meer, auf dem das Haus wie ein ebenfalls graues Schiff vor Anker lag. Die Zypressen waren die einzigen Farbtupfer, doch selbst ihr Grün schien von Grau durchtränkt, als hätte der Regen die Farben des Himmels hineingewaschen.
»Ich habe Bruno in das Pumpenhaus geschickt, in dem Mario umgebracht wurde«, sagte Rossi.
»Und?«
»Er hat dort eine Dose gefunden. Darin befand sich eine Mischung aus Safrankrümeln, Mehl und Zucker.«
»Jemand hat in dem Pumpenhaus zu kochen versucht?«
»Kaum. Die Mischung wird von Scharlatanen verwandt, von Theriakverkäufern, die sie als Arsenik ausgeben.« Rossi erklärte ihr den Schwindel.
»Du glaubst, ein Vagabund hat Mario umgebracht?«
»Wer weiß. Es gibt Gerüchte, dass sich seit einiger Zeit ein Theriakverkäufer in den Dörfern herumtreibt. Andererseits – die Dose lag in einer Blutlache, aber der Deckel war sauber, was darauf hindeutet, dass sie erst nach Marios Tod in die Lache gefallen ist.«
»Oder sie ist dem Mörder während des … des schrecklichen Geschehens aus der Tasche gerutscht.«
»Es war kein einziger Blutspritzer auf dem Dosendeckel. Nein. Ich habe außerdem mit Arthur den Leichnam untersucht. Einer der Hunde, die ihn so schlimm zugerichtet hatten, litt an einem fehlerhaften Gebiss. Ein Backenzahl links unten muss herausgebrochen oder abgefault sein.«
»Und wohin gehen wir jetzt?«
»Sagte ich doch. Zu Feretti.«
Sie blieb stehen. »Hast du nicht gesagt.«
»Er wird dich mögen. Wenn er Geld sieht, kriegt er Engelsaugen.«
»Ich will diesen Menschen nicht treffen.«
»Aber ich. Oder vielmehr – ich will mir seine Jagdmeute anschauen. Und du wirst freundliche Bande zu seiner Frau knüpfen, um zu erfahren, … was auch immer erfahrenswert ist. Vielleicht erzählt sie dir, wo Feretti sich rumgetrieben hat, an dem Morgen, als Mario gestorben ist.«
»Ich soll sie aushorchen?«
»Lass dir was einfallen.«
»Nein.«
»Doch.«
Sie blieb verblüfft stehen. »Ist das … eine Strafe?«
»Nicht so ein ehrenwerter Begriff. Rache , Cecilia. Du kannst es Rache nennen.«
»Das ist die Art, wie du mit Leuten
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