Glaesener Helga
Barghini aus Florenz.« Die florentinische Cousine stand so dicht neben ihm, dass sie ihn mit den Oberarmen berührte. Cecilia sah, wie er sich ein Grinsen verkniff. »Mächtig kalt heute.«
Signora Feretti schwieg. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt, so dass die Haut über dem Kropf sich spannte, was ihr ein hochmütiges Aussehen verlieh.
»Sergio ist nicht zu Hause?«
»Das kann ich nicht sagen.« Kein Angebot, ins Haus zu kommen.
»Dann werde ich Sie selbst um Hilfe bitten müssen.«
Eine kleine Person in Dienstbotenkleidung erschien hinter der Signora, wurde aber mit einer Handbewegung fortgescheucht. »Wobei brauchen Sie Hilfe?«
Rossi schaute zum Zwinger, und Signora Feretti folgte seinem Blick. »Mario Brizzi?«, kam es gehässig. »Ich hätte nicht gedacht, dass derlei Unfug Einlass in den Palazzo della Giustizia findet. Natürlich hat mein Gatte mit dieser Sache nichts zu tun.«
»Nun, Sergio …«
»… zahlt seine Steuern und hat sich noch nie etwas zuschulden kommen lassen. Er ist ein ehrenwerter Gutsbesitzer.« Signora Feretti sprach mit dem Akzent, wie er in der Gegend um Neapel gebräuchlich war, aber sie hatte eine kultivierte Ausdrucksweise, was auf eine sorgfältige Erziehung schließen ließ. Wie mochte jemand wie sie an den neureichen Feretti gekommen sein?
»Ich muss den Burschen hier ins Maul schauen, Signora Feretti – das ist unumgänglich, und es dient dazu, den Verdacht gegen Sergio zu entkräften. Sie sehen, ich rede nicht um den heißen Brei herum.«
»Was haben Sie gegen meinen Mann? Das ist ja wie ein Feldzug.«
»Bitte?«
»Sergio sagt das.« Die Signora grub die Zähne in die Unterlippe. »Man hat meinen Mann für alles im Verdacht. Die Leute sind neidisch. Es ist die Krankheit der Armen. Sie ertragen es nicht, wenn einer, der einmal zu ihnen gehört hat, weiterkommt.«
»Signora, ich muss die Hunde untersuchen. In Sergios Interesse. Wenn Sie es mir verweigerten – was müsste ich davon halten?«
Unentschlossen stieg die Hausherrin die Stufen hinab. Sie schielte zu einem kleinen Durchgang, der in einen zweiten Hof oder vielleicht in den Hausgarten führte. Und blickte dann so rasch zu Rossi, dass Cecilia aufmerkte. War Feretti etwa doch daheim?
»Ich beuge mich, aber ich sage Ihnen: Die Hunde, die Mario so zugerichtet haben, befinden sich nicht in diesem Zwinger. Sergio verteidigt seinen Boden, aber deshalb ist er kein Verbrecher. Er hält sich immer an die Gesetze. Und dieses Weib …«, in dem Wort lag echter Hass, »… wollte ihn ermorden.«
Der Zwinger war mit einem Vorhängeschloss versehen, und wie sich herausstellte, trug die Hausherrin den Schlüssel dazu im Gürteltäschchen. Cecilia machte einige unauffällige Schritte in Richtung Haus, als sie ihn ins Schloss steckte.
Signora Feretti rief die Hunde mit Namen. »Birichino, Satana, Morso, Prosperina …« Jagdhundnamen. »Bei Fuß!« Eine Hündin, völlig schwarz bis auf einen weißen Fleck am linken Hinterlauf, hieß Amata. Dieses letzte Tier bedachte Signora Feretti mit einem Tritt, als es die Zwingertür passierte. Knurrend klemmte Amata die Rute ein.
Rossi ging in die Knie und öffnete stoisch Maul um Maul. Den Hunden missfiel das, aber Signora Feretti stand an seiner Seite, und sie kuschten, was Cecilia dazu brachte, ihre Meinung über die dürre Frau zu ändern.
»Sie jagen auch, Signora?«, wollte Rossi wissen.
»Früher einmal.«
»Die Lust daran verloren?«
»Krankheit«, erklärte sie knapp und in einem Ton, der das Thema beendete.
»Die Hunde gehorchen Ihnen immer noch. Sie haben Respekt, das merkt man.«
»Sie lieben mich.«
»Und Sergio …«
»… fürchten sie.« Die Signora lächelte dünn. »So muss es doch sein in einer guten christlichen Familie: Liebe deine Mutter und fürchte deinen Vater.«
Die schwarze Hündin hielt nichts davon, dass man ihr ins Maul sah. Sie hatte die Ohren zurückgelegt, und aus ihrer Brust kam ein tiefes Knurren. Kannten Hunde das Gefühl, gedemütigt zu werden? Besaßen sie etwas wie Stolz?
»Ja … ja, meine Hübsche …«
Cecilia hätte gern gewusst, ob auch Rossi schwitzte. Auf jeden Fall wirkte er äußerst konzentriert.
»… gut gemacht, Kleine … ja, Schätzchen, schön, sehr schön …«
Der gefleckte Gelbe stand auf, als Signora Feretti ihn rief. Er hieß Rubino. Falls eine Jagdmeute so etwas wie einen Rudelführer besaß, dann hatte ohne jeden Zweifel Rubino diese Stellung inne. Majestätisch und so langsam, als wolle er demonstrieren, dass er Herr seines eigenen
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