GLÄSERN (German Edition)
Taille. Noch immer funkelten kleine Bläschen auf ihrer Haut. Statt zu japsen und Wasser zu husten, atmete sie einmal mit geschlossenen Augen aus. Ohne sie wieder zu öffnen, fischte sie den fadenscheinigen Umhang aus dem Wasser und streifte ihn sich über die Schultern. Dann hob sie träge die Lider, raffte den Stoff um ihren Körper und verließ die Lichtung, ohne sich noch einmal umzusehen. Wir warteten noch einen Moment stillschweigend. Die Weidenäste hatten sich beruhigt und das Wasser lag glatt da.
»Und was … was kann sie nun?«, fragte mich Kieran unbeholfen.
Ich zögerte. Der keltische Brauch mit einer Jungfer ist ganz einfach. Nur war dieses Kapitel ja offensichtlich abgeschlossen. Eine weiße, gereifte Frau, die nicht mehr dem blutroten Kreis eines Mädchens entsprach, musste …
»Sie hat die Mondgöttin um etwas gebeten. Scheinbar kennt sie ein Mondritual der Ovaten. So wie du dem Katholizismus entsagst, und zudem allem anderen außer der Genusssucht, hat auch sie sich für einen anderen Glauben entschieden. Wenn auch einen fast Vergessenen.«
Und scheinbar teilt sie doch etwas mit ihrer Mutter.
»Heute Nacht hat sie um Beistand für etwas gebeten. Und er wurde wohl gewährt. Sonst hätte sie das Ritual nicht vollziehen können, zumindest denke ich das.«
Kieran starrte an mir vorbei ins Leere. »Du bist wirklich ein Mädchen, Van Sade. Kennst Weibskram … Und um was hat sie gebeten?«, wollte er harsch wissen.
»Hmm, da ich, zumindest meines Wissens nach, kein Hellseher bin und sofern du nicht ebenso wie ich, gerade diese ganze Zeremonie mit deinen eigenen Augen verfolgt hast … habe ich keine Ahnung, klar!«
Wir stierten uns wütend an.
»Ich hasse es, wenn sie wieder Blödsinn macht, bei dem sie mich nicht beistehen lässt. Hast du eine Ahnung, was sie erbeten haben könnte, vielleicht?«
Er war wirklich allzu schwer von Begriff.
»Ah! Jetzt da du es spezifizierst: Nein! Womöglich geht es um dich und deine unzeitgemäßen Liebesschwüre. Sie sind so unmodern, wie deine Reisekleidung.«
»Was meinst du?« Er war ehrlich erstaunt.
»Naja, Ledermäntel bis zu den Fersen mit angenähter Kapu–«
»Ich meine mich! Mich! Wieso sollte es um mich gehen?«
Obwohl er mich am Schlafittchen hielt, betrachtete ich seelenruhig meine Fingernägel.
»Ihr seid doch schon so lange verliebt. Vielleicht will sie sich absichern. Dass du ihr auch treu bleibst. Wenn du an Lagerfeuern trinkst, bist du erstaunlich … nun ja.«
»Du denkst, ich hure herum?«
Das war zwar nicht mein erster Gedanke, aber interessant allemal, dass er das dachte. Es war Zeit, dass er eine Lektion erhielt. Also hielt ich ihm meinen erhobenen Zeigefinger vor die Nase.
»Hör zu, du! Ich rate dir, diese Frau wie einen Diamanten zu hüten!«
»Das habe ich auch vor, wie du dir vorstellen kannst.«
»Ich war noch nicht fertig.«
»Natürlich nicht …«
»Eine Bessere bekommst du niemals! Und auch keine, die annehmbarer aussieht und nichts kostet.«
Der Alkohol machte sich wohl noch immer bemerkbar. Ich hatte auch prompt den Faden verloren, also bemühte ich mich um Schadensbegrenzung und drehte mich auf dem Absatz um, um ohne ein weiteres Wort zurück zum Gut zu marschieren.
»Ich würde dir liebend gerne noch ein paar deiner gröbsten Makel vorhalten, aber ich denke doch, wir sollten Eirwyn folgen.«
»Meine Makel!« Kierans Lachen verfolgte mich, bis ich durch die Farne zurück in die reale Welt gestiegen war.
Doch traf ich Eirwyn wenig später nicht im Gut an. Ihr Raum war leer, die Lichter im Kaminzimmer brannten noch, wie ich sie zurückgelassen hatte. Ich lief durch das gesamte Obergeschoss, wo ich Lord Sandy leise schnarchten hörte, und wo Giniver zusammengerollt in unserem Bett schlief. Das Haus lag vollkommen still da. Ratlos drehte ich mich um mich selbst und rannte nach draußen in den Sonnenaufgang. Prompt stand Kieran vor mir.
»Eirwyn ist nicht hier«, keuchte ich.
Der Jäger drängte an mir vorbei und schlich ebenfalls durch alle Zimmer.
»Wo … wo ist sie denn?«, fragte ich.
»Wenn ich das wüsste, würde ich wohl kaum alle Zimmer durchsuchen, Frederick, sondern würde mit ihr Dinge tun, die du nicht einmal aus deinen Büchern kennst.«
Ich fühlte mich zu müde und zu benebelt, um beschämt zu sein.
»Also sollten wir sie dringend ausfindig machen.«
Zielstrebig stapfte ich zurück in Richtung Wald. Wieder hatte ich vergessen, mir andere Schuhe anzuziehen und meine Füße waren klatschnass.
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