Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
angetrunken aus. Er trug Gamaschen aus schwarzem Tuch, die ihm bis zu den Knien hinaufreichten und die ausgestopft waren, um seine Beine dicker erscheinen zu lassen; seine Hose war mit ungeheuer dickem Barchent gefüttert; er trug eine Weste, die bis unter das Kinn zugeknöpft war; seine blaue Krawatte umgab seinen Hals bis zu den Wangen hinauf; eine kurze rote Perücke verbarg seine halbe Stirn, er hatte sich um ungefähr drei Zoll erhöht, und also hätte ihn der älteste Stammgast des Café David nicht erkennen können. Nach seinem vierschrötigen schwarzen Rock, der weit und sauber war wie der eines Engländers, mußten die Vorübergehenden ihn für einen englischen Millionär halten. Contenson hatte die kühle Unverschämtheit eines Kammerdieners an den Tag gelegt, der das Vertrauen eines Nabobs besitzt; er war stumm, verschlagen, geringschätzig, wenig mitteilsam und erlaubte sich ausländische Gesten und wilde Rufe. Peyrade trank gerade seine zweite Flasche aus, als ein Kellner des Hotels ohne Umstände einen Mann ins Zimmer führte, in dem sowohl Peyrade wie Contenson einen Gendarmen in Zivil erkannten.
    »Herr Peyrade,« sagte der Gendarm, indem er sich an den Nabob wandte und ihm ins Ohr flüsterte, »ich habe Befehl, Sie auf die Präfektur zu führen.« Peyrade stand auf, ohne die geringste Bemerkung zu machen, und suchte seinen Hut. »Sie werden vor der Tür einen Fiaker finden,« sagte der Gendarm auf der Treppe zu ihm. »Der Präfekt wollte Sie verhaften lassen, aber er hat sich damit begnügt. Ihnen den Polizeibeamten zu schicken, den Sie im Wagen finden werden, um Erklärungen über Ihr Verhalten entgegenzunehmen.«
    »Muß ich bei Ihnen bleiben?« fragte der Gendarm den Polizeibeamten, als Peyrade in den Wagen gestiegen war. »Nein,« erwiderte der Polizeibeamte. »Sagen Sie dem Kutscher leise, er möge auf die Präfektur fahren.«
    Peyrade und Carlos saßen in demselben Wagen beisammen. Carlos hielt einen Dolch bereit. Den Fiaker führte ein Kutscher, auf den man sich verlassen konnte und der Carlos hätte aussteigen lassen, ohne es zu bemerken oder sich darüber zu wundern, wenn er, an einer Haltestelle angelangt, eine Leiche in seinem Wagen gefunden hätte. Wegen eines Spions erregt man niemals Aufsehen. Die Justiz läßt solche Morde fast immer straflos, so schwer ist es, in diesen Dingen klarzusehen. Peyrade warf seinen Spionsblick auf den Beamten, den der Polizeipräfekt ihm schickte; Carlos zeigte ihm befriedigende Züge: einen enthaarten, hinten von Falten gefurchten Schädel, gepuderte Haare, und dann auf zarten, rotumränderten Augen, die Pflege verlangten, eine sehr leichte, sehr bureaukratische Brille mit doppelten grünen Gläsern. Diese Augen zeigten Spuren unreiner Krankheiten. Ein Perkalhemd mit starrem, gefälteltem Jabot, eine Weste aus abgenutztem schwarzen Satin, die Hose eines Mannes der Justiz, Strümpfe aus schwarzer Florettseide, Schuhe, die mit Bändern zugeknotet waren, einen langen schwarzen Rock, Handschuhe zu zwei Franken – sie waren schwarz und seit zehn Tagen getragen –, und eine goldene Uhrkette. Es war weder mehr noch minder als der Subalternbeamte, den man einen Polizeioffizier nennt.
    »Mein lieber Herr Peyrade, ich bedaure, daß ein Mann wie Sie Gegenstand einer Überwachung ist und daß Sie es sich angelegen sein lassen, sie zu rechtfertigen. Ihre Verkleidung ist nicht nach dem Geschmack des Herrn Präfekten. Wenn Sie unserer Wachsamkeit so zu entgehen meinen, so sind Sie im Irrtum. Sie sind ohne Zweifel von Beaumont-sur-Oise aus England gekommen?« »Von Beaumont-sur-Oise?...« erwiderte Peyrade. »Oder von Saint-Denis?« fuhr der falsche Beamte fort.
    Peyrade wurde verwirrt. Diese neue Frage verlangte eine Antwort. Jede Antwort aber war gefährlich. Eine Bestätigung wurde zum Hohn; ein Leugnen vernichtete Peyrade, wenn der andere die Wahrheit kannte. ›Er ist schlau,‹ dachte er. Er versuchte, den Polizeibeamten lächelnd anzusehen, und gab ihm sein Lächeln statt aller Antwort. Das Lächeln wurde ohne Einspruch hingenommen.
    »Zu welchem Zweck haben Sie sich verkleidet, haben Sie im Hotel Mirabeau Wohnung genommen und Contenson zum Mulatten gemacht?« fragte der Beamte. »Der Herr Präfekt wird mit mir machen, was er will; aber ich schulde nur meinen Vorgesetzten Rechenschaft über meine Handlungen,« sagte Peyrade voll Würde. »Wenn Sie mir zu verstehen geben wollen, daß Sie auf Rechnung der politischen Polizei des Königreichs handeln,« sagte der

Weitere Kostenlose Bücher