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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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peitschender Unterton. Trotz Halif, trotz des Fremden, der mit ihm zusammen gekommen war und nun so selbstverständlich, als hätte er tatsächlich ein Recht dazu, an Younas Küchentür lehnte.
    Aziza sah stumm aus dem Fenster auf die Straße herunter und machte sich nicht mal die Mühe Younas anzusehen.
    „ Sie schläft. Ich habe ihr eine Tablette gegeben.“
    Younas Blick löste sich von Aziza. Auf dem Küchentisch lag ein in einen öligen Lappen eingeschlagenes Bündel.
    Halifs Blick war Younas gefolgt. Er trat an den Tisch und schlug den Lappen auseinander: Eine Pumpgun, eine Pistole mit Schalldämpfer, ein Stilett.
    „ Was soll das? Wieso bringst Du so was in mein Haus?“
    „ Das Gewehr und die Pistole sind nicht registriert. Ich habe sie selbst eingeschossen. Wenn Du meinst, lege ich jeweils noch eine extra Packung Munition drauf.“
    „ Ich will sie nicht. Nimm sie wieder mit.“
    Halif schüttelte unmerklich den Kopf.
    „ Meine Nicht hat mir alles erzählt. Wir sind eine Familie. Euer Unglück ist auch meins. Du musst diese Tiere aus der Welt wischen.“
    In Halifs Stimme ein Tonfall, wie man ihn ungehörigen Kindern gegenüber gebrauchte.
    „ Das ist mein Haus. Du bist der Onkel meiner Frau. Du bist hier immer willkommen. Aber ich will das da nicht hier haben. Nimm es wieder mit.“
    Halif warf dem Mann in der Lederjacke einen schnellen Blick zu.
    „ Ich habe Euch in dieses Land gebracht als ihr zu Hause wegen Deiner Dummheiten keine Zukunft mehr hattet. Ich habe Euch ein Geschäft angeboten. Du wolltest es nicht. Aber Du hast mir auch jeden Pfennig, den ich Euch geliehen habe, pünktlich zurückgezahlt.
    Glaubst Du ich verstehe nicht, dass ein Mann seinen Weg aus eigener Kraft machen will?
    Ich habe Dich immer mit dem Respekt behandelt, den Du verdienst.
    Aber das hier ist etwas anderes. Wir sind eine Familie. Es ist auch meine Ehre, die auf dem Spiel steht. Richter und Polizisten sind Fremde, die können uns nicht helfen. Das können nur wir selbst. Du oder ich.“
    Aziza, die sich jetzt vom Fenster abwandte und Younas durchdringend ansah.
    „ Ich will nicht mit einem Feigling leben. Das habe ich nicht verdient. Ich war Dir immer eine gute Frau, dass weißt Du, aber wenn Du das nicht erledigst, gehe ich. Und Sertab nehme ich mit.“

    Halif war gegangen. Younas saß allein am Küchentisch. Die Erinnerungen an das Land, das er, seit er hierher gekommen war, niemals wieder Heimat genannt hatte. Das Dorf im Nirgendwo. Wie weit der Himmel im Herbst gewesen war. Das Haus in dem er aufwuchs. Heute erschien es ihm so winzig.
    Seine Mutter, wie sie Blut hustend auf ihrem Bett gelegen hatte. Sein Vater, der ihr ein paar Wochen drauf ein Laken übers Gesicht zog. Der lange Zug durchs Dorf und über die Felder zum Friedhof.
    Der Tag, an dem sich der Lehrer den weiten Weg zu dem steinigen Stück Feld unter den Hügeln machte, um Younas Vater zu überreden ihn auf die höhere Schule zu schicken. Eine merkwürdig zerbrechliche Silhouette vorm Braun der Erde und tiefen Blau des Himmels.
    Sein Vater, wie er den Hut in der Hand, dem Lehrer zuhörte. Der Lehrer, der von der wunderbaren Welt schwärmte, die sich Younas auf der höheren Schule eröffnen würde.
    Schönheit allein, hatte sein Vater gesagt, hat noch keinen satt gemacht.
    Der Tag, an dem er das Dorf letztlich doch verließ. Nebliger Dunst über den geduckten Häusern als verbargen sie rachedurstig ihr Angesicht vor dem, der sie für immer verließ.
    Die Stadt. Ihr Geruch nach Benzin, Kohlenfeuern, Sehnsucht und Gier. Die neue Schule: fremd, bedrohlich und geheimnisvoll.
    Damals hatte er gelernt, dass Alleinsein nichts mit Einsamkeit zu tun hatte.
    Vier Jahre später: Die Leute im Dorf, stolz darauf, dass es einer von ihnen bis auf die Universität geschafft hatte. Im Sommer das Fest auf dem er Aziza begegnete. Wie sie sich in ihrem gelben Kleid mit einem Tablett voller Flaschen einen Weg durch die Leute zu seinem Tisch gebahnt hatte. Die Männer, die von der Wüste redeten, die unaufhaltsam ihre Felder fraß. Aziza, die ihm an diesem Abend versprach auf ihn zu warten. Ihr erster Kuss im Dunkeln.
    Die Universität, von der er glaubte, dass sie ihm ein Leben weit weg von gefräßigen Dünen und steinigen Feldern eröffnen würde.
    Ihre Hochzeit, die sie heimlich feierten, weil Azizas Familie einen Grundbesitzer und keinen Studenten für sie bestimmt hatte.
    Die ersten beiden Jahre zusammen in der Stadt. Sertab, die in Azizas Bauch heranwuchs. Ein Wunder,

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